Patchwork: Klein, aber mein

Wenn Meine, Deine, Unsere zusammenziehen, ist es wichtig, dass jeder die Tür hinter sich zumachen kann. Passende Wohnungen sind rar, Nachschub kommt von Planern.

Da wäre der ältere Baunternehmer Jay Pritchett, frisch verheiratet mit der jüngeren Kolumbianerin Gloria, die ihren elfjährigen Sohn Manny mit in Ehe und Haus bringt. Dazu kommen Jays Kinder aus erster Ehe: Sohn Mitchell mit Freund Cameron und adoptiertem Baby sowie Tochter Claire samt Maklergatten und drei Kindern. Die US-Serie „Modern Family“, überhäuft mit Golden Globes und Emmys, zeigt, wie bunt Familienkonstellationen abseits der klassischen Vater-Mutter-Kind(-Kind)-Variante mittlerweile sind. Und ist damit, zumindest in den USA, überaus erfolgreich, zu den prominentesten Fans zählen Präsident Obama und seine Töchter.

Wie den Draht zum Neosohn finden, wie mit nervigen Expartnern umgehen, wie, um Gottes Willen, das nächste Familienfest überleben? In vielen Punkten überschneiden sich die Lebenswelten der TV-Familien mit jenen der realen. In Sachen Wohnen aber haben die reichen Pritchetts einen großen Vorteil gegenüber herkömmlichen Patchworkern: genügend Zimmer für Mütter, Väter, Kinder.

In der realen, österreichischen, Patchworkwelt ist der Platz oft ein Problem. Meist gibt es zu wenig davon oder er ist falsch verteilt. Und was von Montag bis Freitag gut funktioniert, kann, wenn die Kinder zum Besuchswochenende anrücken, viel zu klein sein. 83.600 Stieffamilien zählte Statistik Austria im Jahr 2011 für Österreich. Darin enthalten sind allerdings nur die Haushalte, in denen die Kinder mehr oder weniger fix wohnen, nicht jene, in denen sie mehr oder weniger regelmäßig Zeit verbringen, um beim anderen Elternteil zu sein.

Eigener Raum wichtiger als viel Platz

Eines gleich vorweg: Die Wohnung für Patchworkfamilien gibt es ohnehin nicht, genauso wenig wie es die Patchworkfamilie gibt. Zu mannigfaltig sind die möglichen Konstellationen zwischen den Meinen, Deinen und oft auch den Unseren. Doch egal, wie sie sich zusammenfinden, eines sollte man beherzigen, sagt Margit Picher, Obfrau des „Patchwork Familien Service“, eines Vereins, der sich um Elternteile und Familien im Wandel kümmert: „Ein eigener Raum ist oft wichtiger als viel Raum.“ Es sei wichtig, auch „einmal für sich sein zu können, Platzmangel kann Konflikte verschärfen“. Aber Platz kostet eben auch Geld, dieser Punkt sei bei der Wohnungssuche immer ein „besonderer“, berichtet Picher.

„Die Leistbarkeit ist die wichtigste Frage“, das hat auch Maklerin Elisabeth Rohr beobachtet, wenn sie mit Patchworkern Objekte besichtigte. Diese brauchen eben mehr Platz, egal, ob jeden Tag oder nur alle zwei Wochen. Neben dem Geld oft der Knackpunkt bei der Suche nach dem neuen, gemeinsamen Wohntraum: „Ein Badezimmer ist vielen zu wenig“, erzählt Rohr. Dass Größe und Zimmeraufteilung passen, „das ist ein seltener Glücksfall“.

Noch bietet der Immobilienmarkt wenig für all jene, deren Familienstrukturen eher nicht als „klassisch“ zu bezeichnen sind. Für so manche Anlage wird aber schon explizit über „neue Familien“ nachgedacht. Das Architekturbüro AllesWirdGut etwa beschäftigt sich in Projekten wie dem im April 2011 fertiggestellten Wohnbau hERZberg (Wien 22) oder für einen Komplex, der in der Seestadt Aspern entsteht, damit, unterschiedliche Wohnangebote für unterschiedliche Lebensformen zu planen. „Wenn sich soziale Strukturen ändern, müssen Wohnungen mitziehen“, sagt Architekt Herwig Spiegl. „Dazu braucht es gar nicht so viel an revolutionären Gadgets.“ Wie so oft gelte: „Man muss einfach schon vorab mitdenken.“

Abtrennen auf Zeit

Wie das bei einer Wohnung für Patchworker aussehen kann? Sie muss flexibel, umfunktionierbar sein. Im hERZberg etwa können vom T-förmigen Wohnraum ein oder zwei Schlafzimmer abgetrennt werden. „Es lässt sich leicht eine Gipskartonwand einziehen, eine Schiebewand, vielleicht reicht manchmal ein Vorhang.“ So verzichte man zwar auf räumlichen Luxus, habe aber eigene Räume für permanente oder temporäre familiäre Mitbewohner.

Ein eigenes Plätzchen ist wichtig, das weiß Spiegl – er hat in seinen ersten 30 Lebensjahren in 15 verschiedenen Wohnungen gewohnt – aus Erfahrung. Und dass man mit Grundrissen und Raumaufteilungen gut experimentieren kann, bewies er schon als Kind: In einem Zimmer mit der Schwester? Das war zu wenig! Kurzerhand richtete er sich ein Eckerl im überdimensionierten Vorraum ein. Klein, aber sein.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER
www.alleswirdgut.cc
www.patchworkfamilien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2013)

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