Salzburger Festspiele

Martin Kušejs „Figaro“ ist altmodisches Rampentheater, notdürftig kaschiert

Adriana Gonzalez (Gräfin), Lea Desandre (Cherubin), Sabine Devieilhe (Susanna), ehe sich das Badezimmer in einen Müllraum verwandelt.
Adriana Gonzalez (Gräfin), Lea Desandre (Cherubin), Sabine Devieilhe (Susanna), ehe sich das Badezimmer in einen Müllraum verwandelt.APA / Barbara Gindl
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Ein allzu ungleiches Sänger-Ensemble musste in der einzigen Mozart-Premiere der diesjährigen Festspiele, „Figaros Hochzeit“, nach Martin Kušejs Regie-Pfeife tanzen und kam dabei trotz Raphaël Pichon am Pult zwangsläufig aus Mozarts Rhythmus.

Wollen wir einmal davon ausgehen, dass nicht die Inszenierung das Wichtigste ist an einer Premiere bei den Salzburger Festspielen? Ich will gar nicht die gloriose Vergangenheit der wienerisch-salzburgischen Mozarttradition beschwören. Die jüngere Tradition eher, der zufolge es eine noble Aufgabe der Festspiele sein kann, ihr Hausorchester, die Wiener Philharmoniker, mit illustren Exponenten der modischen Originalklang-Bewegung zusammenzuführen. Das kann zu spannenden Ergebnissen führen, muss aber nicht. Hie und da dauert es ja auch ein wenig, bis sich die Protagonisten finden. Dafür gibt es prominente Beispiele.

Raphaël Pichon nun, erstmals am philharmonischen Dirigentenpult. Das Engagement ist folgerichtig, denn der französische Musiker hat mit seinem Ensemble „Pygmalion“ einige richtungsweisende CDs herausgebracht und als Begleiter seiner Frau, der Sopranistin Sabine Devieilhe, auch fabelhafte Mozart-Aufnahmen gemacht. Also!

Eigensinnige Philharmoniker

Also? Unsere Musiker sind - in der Oper zumal - gewohnheitsmäßig skeptisch, wenn man ihnen mit dem stilistischen Fortschritt daherkommt, der für sie, frei nach Nestroy, meistens größer ausschaut als er tatsächlich ist. Nehmen wir das tönende Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen im kleinen Festspielhaus (man mag es ob seiner Akustik wirklich nicht „Haus für Mozart“ nennen). Wieweit das, was am Donnerstag Abend zu hören war, auf so etwas wie passive Resistenz des Orchesters zurückzuführen ist, könnten nur Proben-Kiebitze verraten. Für unsereinen klang tatsächlich vieles sehr schön und sonor, wie von den Philharmonikern gewohnt, ein wenig dicker vielleicht, weniger transparent als früher im besten Fall. Aber von mutwilligen oder besonders gegen den Strich gebürsteten Phrasierungen, Akzenten oder Nuancen war bis auf einige Vorschläge und vernachlässigbare Details nichts zu bemerken.

Vielmehr erwies sich Pichon als verlängerter Arm einer in langer Opernfron erworbener Tugend: Wie die Musiker, lauscht auch er den Sängern hingebungsvoll und „begleitet“ partnerschaftlich, mit kleineren oder größeren Konzessionen, „Complimenti“, wie Beethoven einmal schreibt, Temporückungen zumal, die sich bei so viel Aufmerksamkeit ganz unmerklich ins melodische Ganze fügen. Das ist stimmig. Das bietet den Darstellern eine ideale musikalische Grundlage. Und im Falle von Sabine Devieilhes Susanna und Lea Desandres Cherubin führte es anlässlich der Premiere zu glückhaften Momenten ausdrucksvoll-geschmeidigen Gesangs, der mit betörenden Holzbläser-Soli und behutsam modellierten orchestralen Kommentaren verschmolz.

Das ist es, was uns Musiktheater heißen sollte, denn da tönen die Empfindungen, die Befindlichkeiten der Charaktere. Und die Musik verknüpft - in den Ensembles - deren Schicksale. Ein Regisseur müsste diesem Seelenkontrapunkt nur zuhören, um in einem adäquaten Bühnenbild die Geschichte so liebevoll verwirrend und hintergründig zu erzählen, wie sie klingt. Er hätte genügend zu tun, um wenigstens den Großteil der Verstrickungen, der Intrige - in jeder Bedeutung des Wortes -, in Bewegung, Blick und Gebärde zu verwandeln. Das müsste er können. Und natürlich auch wollen.

Was will, was kann Martin Kušej?

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