Finanzsteuer: „Ein riesiges Experiment“

Vieles ist noch ungewiss – vom Zeitplan bis zu den zu erwartenden Auswirkungen.

Wien/Cka. Bis Ende September soll sie in elf EU-Ländern rechtlich umgesetzt sein, ab 2014 gelten: die Finanztransaktionssteuer. Fix ist aber noch nichts, die Beschlüsse auf EU-Ebene stehen noch aus.

Ob sich der ambitionierte Zeitplan halten lässt, ist fraglich. Zur Hürde könnte werden, dass Länder wie Frankreich oder Italien bereits solche Abgaben eingeführt haben. „Der Entwurf enthält aber ein Verbot nationaler Transaktionssteuern“, so Claus Staringer, WU-Professor und Principal Consultant bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Diese müssten also wieder abgeschafft werden. Herausfordernd wird auch die Abwicklung: Die Steuer soll im elektronischen Handel am selben Tag automatisch abgeführt werden, im nicht elektronischen binnen drei Tagen.

„Fremdkapital boomt“

Umstritten sind die Effekte der neuen Steuer. Sie sei „ein riesiges Experiment, bei dem keiner weiß, was rauskommt“, sagt Staringer. Manches, etwa der Hochfrequenzhandel, werde wohl unrentabel werden und verschwinden. „Oder er verlagert sich nach Singapur“, so Edith Hlawati, Head of Banking & Corporate Finance bei CHSH. Von der Steuer erfasst sein sollen alle Transaktionen mit Bezug zu den teilnehmenden EU-Ländern, es genügt, dass ein Geschäftspartner dort ansässig ist oder das Papier dort emittiert wurde. Das soll Umgehungen verhindern. An kleinen Märkten – wie Österreich – könnten Investoren aber eventuell auch gänzlich vorübergehen, meint Staringer.

Hlawati plädiert dafür, im Gegenzug zur Transaktionssteuer Dividenden und Kursgewinne steuerlich zu entlasten, ja sogar einen Steuerfreibetrag für privaten Aktienerwerb einzuführen – in Schweden habe man damit Erfolg gehabt. Der Aktienmarkt müsse für Privatanleger, aber auch für Unternehmen mit Kapitalbedarf attraktiver werden.

Aktuell boome dagegen das Fremdkapital: „Kapitalaufnahmen laufen fast nur mehr über Bonds.“ Dass diese stark auf dem Retailmarkt platziert werden, sei wegen der – speziell bei mittelständischen Unternehmen – zum Teil schwer einschätzbaren Risken „nicht ganz ungefährlich“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2013)

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