Ari Rath: „Ich glaube an Zeitungen“ Dialog zweier Nachrichtenmänner

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Ari Rath, Ex-Chefredakteur der „Jerusalem Post“, und „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak im Gespräch in ihrer alten Schule.

Vor 20 Jahren“, erzählt Ari Rath, „schrieb der damalige Bundeskanzler, Franz Vranitzky, bei einem Israel-Besuch in ein Gedenkbuch, dass die Gefahr noch nicht gebannt sei und wir weiterhin wachsam sein müssten. Heute, 2013, sage ich euch, dass wir sogar sehr wachsam sein müssen“, so der 88-Jährige am Mittwoch bei einem Besuch im Gymnasium in der Wiener Wasagasse.

In der aktuellen politischen Situation sehe er derzeit keine Gefahr, meinte „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak auf eine Schüler-Frage. Was beide eint: In der Wasagasse gingen sie zur Schule. Rath musste nach dem Anschluss Österreichs 1938 mit 13 Jahren nach Palästina fliehen. Er sprach am Mittwoch vor rund 70Schülern über seine Kindheit in Wien, die Zukunft des Journalismus und seinen Einsatz für ein politisch liberales Israel. Persönliche Erinnerungen, die er auch in seinem Buch „Ari heißt Löwe“ niedergeschrieben hat, das im Vorjahr erschienen ist.

So konnten die Schüler Zeitgeschichte hautnah erleben, als Rath erzählte, wie seine damaligen Turnlehrer – „die beiden waren Obernazis“ – die Verfolgung der Juden verharmlost hätten. Mit Fotos aus Berlin habe er sie vom Ernst der Lage überzeugen wollen – vergeblich. „Die schlimmste Zeit waren die fünf Monate nach dem Anschluss, als plötzlich Nachbarn auf eigene Faust, ohne Befehle erhalten zu haben, jüdische Wohnungen und Betriebe ausräumten“, erinnert sich Rath. „Das zu beobachten war sehr bedrückend und bei Weitem beängstigender als die fünf Jahre vor 1938.“

Er habe aber auch positive Erfahrungen mit „anständigen Menschen“ gemacht. Mit seinem Freund Walter etwa, der zwar der Hitlerjugend beigetreten sei, ihm aber dennoch geholfen habe, sein Fahrrad zu behalten und sogar nach Palästina mitzunehmen. „Jüdischen Kindern wurden die Fahrräder abgenommen“, sagt Rath. „Aber Walter gab vor, meines zu beschlagnahmen und gab es mir zurück, als ich die Möglichkeit hatte auszuwandern.“


In Palästina lebte Rath jahrelang in einem Kibbuz, einer ländlichen Kollektivsiedlung, ehe er mit 32 Jahren Journalist wurde. 31 Jahre lang arbeitete er bei der englischsprachigen „Jerusalem Post“, davon 15 Jahre als Chefredakteur. In diesen Funktionen setzte er sich stets für ein liberales Israel und die Aussöhnung mit den Palästinensern ein. „Heute lese ich weder die Zeitung noch habe ich Kontakt zu meinen früheren Kollegen“, verrät Rath. „Das Blatt hat sich einfach zu weit nach rechts entwickelt.“

Identifikationsprobleme habe er wegen der mangelnden Vergangenheitsbewältigung jahrelang auch mit Österreich gehabt und sich erst sehr spät mit dem Land versöhnt. Die Causa Waldheim Ende der 80er-Jahre habe dabei eine wichtige Rolle gespielt.

Und da es immer auch um den Beruf geht, wenn sich zwei Journalisten treffen, wollte Nowak von Rath wissen, ob er angesichts der zunehmend wichtiger werdenden elektronischen Medien daran glaube, dass es in 20Jahren immer noch Zeitungen geben wird. „Doch, ich denke schon“, so der Ex-Chefredakteur.

Bei dieser Diskussion müsse er immer daran zurückdenken, wie die ersten Fernseher auf den Markt gekommen seien. Damals habe man das Ende der Kinos und der Filmindustrie prophezeit. „Dabei hat sich die Filmbranche ausgezeichnet entwickelt. Insbesondere der österreichische Film wird weltweit geschätzt“, betont Rath. „So ähnlich wird es auch bei Zeitungen sein. Also ich glaube an Zeitungen – auch wenn immer mehr Menschen die Nachrichten über elektronische Medien lesen werden, die auch gefördert werden sollten.“

Zur Person

Ari Rath wurde 1925 in Wien geboren. Mit 13 Jahren floh er nach Palästina. 31 Jahre lang arbeitete er bei der „Jerusalem Post“, davon 15 Jahre als Chefredakteur. In diesen Funktionen setzte er sich stets für ein liberales Israel und die Aussöhnung mit den Palästinensern ein. Am Mittwoch sprach er im Gymnasium in der Wiener Wasagasse, das er vier Jahre lang besucht hatte, über seine Erinnerungen an seine Kindheit in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2013)

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