Steuern steigen, auch wenn sie gar nicht erhöht werden

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Die Wunderwaffe der Finanzministerin ist hoch effektiv: „Kalte Progression“ trieb die Abgabenlast 2012 um bis zu ein Prozent.

Wien. Für die Das-Glas-ist-voll-Typen unter Österreichs Steuerzahlern war 2012 wohl ein halbwegs brauchbares Jahr. Zwar haben Kommunen wie Wien die Gebühren teils exorbitant in die Höhe geschraubt. Aber wenigstens verlangte nicht auch noch Finanzministerin Maria Fekter höhere Steuern als im Jahr zuvor. Zumindest offiziell.

Denn in der Realität mussten Österreichs Arbeitnehmer wieder mehr von ihrem Verdienst an den Staat abtreten, so ein erstes Ergebnis der OECD-Studie „Taxing Wages 2013“, die im Mai veröffentlicht wird. Von jedem Euro, den die Unternehmen für ihre Mitarbeiter bezahlen, verlangt der Fiskus hierzulande im Schnitt 48,9 Cent an Steuern und Sozialabgaben. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der Industrienationen liegt dieser Wert bei 35,6.

Obwohl die Steuersätze hierzulande gleich blieben, ging der Anteil von Steuern und Abgaben 2012 um 0,34 Prozentpunkte nach oben. Wie das geht? Die Wunderwaffe der Finanzministerin ist altbekannt, aber immer noch hoch effektiv: die „kalte Progression“. Während von Löhnen über Mieten bis hin zu Versicherungsprämien quasi alles mit der Inflationsrate steigt, lässt der Staat die Einkommensgrenzen für bestimmte Steuerstufen immer gleich. Der für den Bürger unangenehme Nebeneffekt: Auch wenn sie nominell höhere Löhne erhalten, rutschen sie oftmals in höhere Steuerklassen und können so mitunter real weniger in der Tasche haben als vor der „Lohnerhöhung“.

Das hat seine Folgen. Am härtesten hat es laut OECD im Vorjahr Alleinerzieher erwischt, die nur zwei Drittel der durchschnittlichen 40.855 Euro brutto im Jahr verdient haben. Ihre Steuer- und Abgabenlast (Einkommensteuer plus Sozialabgaben minus Bartransfers wie etwa Kindergeld) stieg um 1,1 Prozentpunkte auf 27,9 Prozent. Ehepaare mit Kindern mussten 0,9 Prozentpunkte mehr abgeben und bezahlten 38 Cent von jedem Euro, den sie ihren Arbeitgebern wert waren, an den Staat.

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Halbe Milliarde Euro seit 2000

Wie viel „Inflationsgewinn“ die Österreicher dem Fiskus bescheren, kann nur geschätzt werden. Eine Schätzung kommt von der AK Oberösterreich. Sie hat sich die inflationsbereinigten Nettoeinkommen von 2000 bis 2010 angesehen. Das Ergebnis: Die Steuereinnahmen stiegen deutlich stärker als die Löhne. Aufgrund der „kalten Progression“ bezahlten die Österreicher 2010 um 518 Mio. Euro mehr.

Die einzigen, die der kalten Progression entgehen, sind Österreichs Besserverdiener. Für sie steigen die Sozialabgaben nämlich ab einem Monatsbrutto von 4400 Euro nicht mehr an. Und da auch ihre Löhne jedes Jahr mit der Inflation steigen, sinkt die Abgabenlast sogar. Damit ist Österreich eines von nur drei Industrieländern, die von ihren Spitzenverdienern prozentuell weniger verlangen als vom Mittelstand. Die geplante Solidarabgabe für Spitzenverdiener ab 186.000 Euro Jahresbrutto gilt erst seit heuer und wurde von der OECD noch nicht berücksichtigt.

Eines haben aber alle Arbeitnehmer in Österreich gemeinsam. Sie geben deutlich mehr von ihrem Verdienst wieder ab als in anderen Staaten üblich. Mit Belgien, Frankreich, Deutschland und Ungarn verlangen nur vier Industrienationen einen höheren Obolus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2013)

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