Italien: „Grillini“ besetzten das Parlament

Beppe Grillo
Beppe Grillo(c) EPA (ALESSANDRO DI MEO)
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Dass sich die beiden großen Parteien nun doch etwas näherkommen und kooperieren könnten, passt dem Ex-Komiker Beppe Grillo gar nicht.

Rom. In die italienische Politik scheint nun doch Bewegung zu kommen – eineinhalb Monate nach der Parlamentswahl. Die Chefs der früher größten Parteien, Pier Luigi Bersani und Silvio Berlusconi, haben sich am Dienstagabend zu einem mehr als einstündigen Gespräch getroffen. Es ging in diesem ersten Schritt zwar noch nicht um die wichtigste Frage – also um die Bildung einer handlungsfähigen Parlaments- und Regierungsmehrheit –, aber es sollte der Boden bereitet werden für eine halbwegs einvernehmliche Wahl des neuen Staatspräsidenten, die in einer Woche beginnen wird. Dem neuen Staatsoberhaupt wird es dann obliegen, gemeinsam mit den Parlamentsparteien einen Ausweg aus dem politischen Patt zu finden, das die Wähler Ende Februar geschaffen haben.

Gleichzeitig mit der Begegnung zwischen dem Chef der Linksdemokraten und dem Mitte-rechts-Vorsitzenden haben die Abgeordneten der Fünf-Sterne-Bewegung von Ex-Komiker Beppe Grillo die beiden Parlamentskammern besetzt, um gegen den „Staatsstreich der Parteien“ zu protestieren. Die „Grillini“ fordern die Einrichtung von parlamentarischen Ausschüssen, „um mitten in der italienischen Krise mit der gesetzgeberischen Arbeit beginnen zu können“.

Machtspiele rund um neuen Präsidenten

Die anderen Parteien widersetzen sich dieser Forderung: Sie sagen, bevor nicht klar sei, welche Partei in die Regierung gehe und welche Opposition werde, hätten auch Parlamentsausschüsse keinen Sinn. Die „Grillini“ verbrachten den einsamen Dienstagabend im Abgeordnetenhaus und im Senat dann damit, sich gegenseitig und – übers improvisierte Internetfernsehen – dem Rest der Welt die italienische Verfassung vorzulesen. Dabei gab es in den eigenen Reihen aber auch Proteste gegen diese Aktion: Durch die unumgängliche Beleuchtung der Parlamentsräume verschwende man nur Strom und damit Steuergelder, hieß es.

Bersani, der Chef der italienischen Sozialdemokraten, beeilte sich nach seiner Unterredung mit Berlusconi zu wiederholen, es werde auf keinen Fall eine Große Koalition geben. Während dies zur Beruhigung der eigenen Partei gedacht war, so hatte das Treffen mit Berlusconi offenbar den Zweck, diesem eine seiner Grundängste zu nehmen: dass die Sozialdemokraten ihre Macht im Parlament dazu nützen könnten, im Alleingang einen aus den linken Reihen zum Staatsoberhaupt zu küren, den Silvio Berlusconi als „feindlich“ gesinnt betrachten müsste. Davor hatte Berlusconi mehrfach ausdrücklich gewarnt. Zugleich bot er an, sein „Volk der Freiheit“ könnte eine sozialdemokratische Minderheitsregierung tolerieren für den Fall, dass ein Kandidat aus dem eigenen, dem Mitte-rechts-Lager zum Präsidenten gewählt würde. Da es Bersani in der Tat auf eine Minderheitsregierung anlegt – flankiert eventuell durch eine „Reformkommission“ unter Leitung eines Konservativen, womöglich sogar Berlusconis selbst – kommt einer Absprache über die Person des neuen Staatschef größte Bedeutung zu.

Die Wahlversammlung, die am 18. April zusammentritt, um den Nachfolger des 86-jährigen Giorgio Napolitano zu bestimmen, besteht – ähnlich wie in Deutschland – aus beiden Parlamentshäusern sowie aus 58 Delegierten der 20 Regionen. Unter den 1007 Delegierten fehlen den Sozialdemokraten lediglich neun Stimmen zur absoluten Mehrheit. Falls Bersani einen Kandidaten findet, der den 71 Abgeordneten des scheidenden Ministerpräsidenten Mario Monti genehm ist, könnte die Wahl des Staatsoberhaupts ganz ohne Zustimmung des Berlusconi-Lagers vonstattengehen – jedenfalls unter der Voraussetzung, dass die Sozialdemokraten unter sich einig sind.

Dazu gibt es noch keine Prognosen, weil auch noch kein Kandidat feststeht. Über Namen wird nur spekuliert, es traut sich in der augenblicklich so ungewissen Lage aber niemand aus der Deckung.

Staatsverschuldung auf Rekordniveau

Im Schatten der Polit-Verhandlungen wächst der Schuldenberg wieder: Dem Eurokrisenland droht eine höhere Verschuldung, als bisher von der Regierung veranschlagt. Laut einem Dokument soll die Staatsverschuldung heuer ein Rekordniveau von 130,4 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen. Bisher erwartete Rom einen Rückgang der Schuldenstandsquote auf 126,1 Prozent. 2012 hatte die Staatsverschuldung mit 127 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ein Allzeithoch erreicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2013)

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