Mehr Ärzte: Teure Linzer Doktorspiele

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Oberösterreich soll seine lang erhoffte Medizinerausbildung in Linz erhalten. Die Liste der Kritikpunkte ist aber lang.

Linz/Wien. Exakt 114 Jahre des Wartens und Drängens sollten es werden, bis der oberösterreichischen Landespolitik Dienstag der heftig umstrittene Durchbruch gelang: Die Bundesregierung gab den Weg für eine eigene Medizinerausbildung in Linz frei. Das Projekt zur Schaffung einer Medizinfakultät an der Uni Linz sei „auf Schiene“, so Kanzler Werner Faymann (SPÖ). Mit der Entscheidung für das Prestigevorhaben eröffnet Faymann zugleich den Wahlkampf um das für die Nationalratswahl wichtige Oberösterreich.

1. Warum will das Land die Fakultät? Und warum erhält es sie jetzt?

In den vergangenen Jahren schürte das Land die Angst vor dem Ärztemangel. Obwohl die Ärztedichte in Österreich grundsätzlich gut ist, ist die Verteilung schlecht. Oberösterreich liege hier an zweitletzter Stelle, heißt es. Vor allem auf dem Land fehlen Mediziner. Viele Oberösterreicher, die für ihr Studium derzeit nach Wien, Graz oder Innsbruck gehen, würden nicht mehr zurückkehren, so die Erklärung. Eine eigene Fakultät könne Abhilfe schaffen. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit: Oberösterreich ging es bei seinen Bemühungen stets auch um das Prestige, das eine derartige Institution mit sich bringt – vor allem auch im föderalen Wettstreit: Wien, Graz und Innsbruck haben öffentliche Med-Unis, Salzburg und bald Krems eine private. Da wollte Oberösterreichs Landeschef Josef Pühringer (ÖVP) mithalten und schmiedete eine breite Allianz aus Befürwortern. Er ist es auch, der nun die Nationalratswahl für seinen Coup nützt. Nachdem er die aus Oberösterreich stammenden Minister Maria Fekter, Reinhold Mitterlehner (beide ÖVP) und Alois Stöger (SPÖ) für sich gewinnen konnte, musste Faymann nachziehen. Er will sich vor der Wahl nicht nachsagen lassen, die Oberösterreicher mit der Angst vor dem Ärztemangel allein zu lassen.

2. Wie sieht das Modell aus, das an der Uni Linz geplant ist?

Die Ausbildung fände in einer neu geschaffenen Fakultät der Johannes-Kepler-Uni statt. Einer der Vizerektoren soll künftig Mediziner sein und die Fakultät managen. Vor einiger Zeit haben sich AKH Linz, Frauenklinik und Landesnervenklinik zur Universitätskrankenanstalt zusammengeschlossen. Die Spitäler würden die Uni-Klinik begründen; das Areal um AKH und Frauenklinik soll zum Campus werden. Man will rund 200 Anfängerplätze bieten, geplant sind die Schwerpunkte Versorgungsforschung, Altersforschung und Medizintechnik.

3. Wie viel Geld soll die Fakultät kosten – und wer soll zahlen?

Mit konkreten Zahlen geizten Uni und Land zuletzt. Sogar Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) meinte gar, er habe lediglich einen kurzen Blick auf die Kosten werfen können. Wie es auf „Presse“-Anfrage an der Uni heißt, dürfte es zwei Rechenmodelle geben, die diskutiert werden. Zuletzt war stets die Rede von jährlichen Kosten in Höhe von 150 bis 200 Millionen Euro. Schmackhaft dürfte Pühringer die Fakultät dem Bund durch eine Anschubfinanzierung machen: Land und Gemeinden sollen in den ersten fünf Jahren alle Kosten tragen und die Finanzierung dann jedes Jahr um 20 Prozent zurückfahren – bis der Bund die Finanzierung nach zehn Jahren komplett übernimmt.

4. Wer steht dem Projekt kritisch gegenüber – und warum?

Die Liste der Skeptiker ist lang. Der mächtigste ist Uni-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP), der bislang immer abblockte, nun aber einlenken muss. Kritisch sind auch die Rektoren anderer Unis. Sie fürchten, dass das ohnehin schon knappe Budget nun unter noch mehr Institutionen verteilt werden muss. Andere fürchten gar, dass die kalkulierten Beträge zu gering angesetzt seien. Nicht einberechnet ist etwa der klinische Mehraufwand – jenes Geld, das der Bund den Uni-Kliniken zuschießt. Allein an der Uni Innsbruck etwa macht dieser 60 Mio. Euro aus. Es ist unklar, wer in Linz diese Kosten tragen soll.

Die Rektoren der anderen Medizin-Unis fordern, dass zuerst ihre bestehenden Unis ordentlich ausfinanziert bzw. ausgebaut werden. Weitere Kritikpunkte: Es ist unklar, ob die bloße Erhöhung der Studentenzahlen den Ärztemangel abwenden kann. Um Absolventen davon abzuhalten, ins Ausland abzuwandern, müssten die Arbeitsbedingungen und der Turnus reformiert werden. Zudem könnte die Fakultät die Österreicherquote infrage stellen. Je mehr Plätze es gibt, desto schlechter kann Österreich gegenüber der EU argumentieren, dass ohne Quote die Gesundheitsversorgung gefährdet ist.

5. Wie soll es in Bezug auf die Fakultät weitergehen?

Töchterle will eine Novelle zum Uni-Gesetz demnächst in Begutachtung schicken, die neben Uni-Fusionen – wie etwa in Innsbruck angedacht – auch neue Medizinfakultäten möglich machen soll. Zudem werde eine Arbeitsgruppe aus Bund und Land eingerichtet, deren Ziel die Klärung der Finanzierung und die Erarbeitung einer Bund-Länder-Vereinbarung ist. Sie soll bereits im Mai zum ersten Mal tagen. Pühringer gibt sich siegessicher: Er gehe davon aus, „dass wir das Kapitel vor den Wahlen abschließen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2013)

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