Die Agrarförderung und ihr Bauernopfer Hans Georg Egger

Hans Georg Egger
Hans Georg Egger Norbert Rief
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Hans Georg Egger ist in dritter Generation Landwirt. Ein hart arbeitender, der aber angeblich betrogen hat: Er musste 30.000 Euro an Förderung zurückbezahlen.

Oberdrauburg. Einen BMW X5 sieht man nirgendwo auf dem Hof. Auch keinen Audi Q7 oder einen kleinen Porsche. Der Traktor, der hinter dem Stall steht, ist ein alter Lindner; das Geschirr, in dem die elfjährige Tochter den Kaffee serviert, ist nicht handgemachte Gmundner Keramik, und auch das Bauernhaus ist kein Kandidat für einen Architekturpreis. Nein, den Bauern als Fördermillionär, wie ihn manche sehen, spielt man hier in Oberdrauburg am westlichsten Ende von Kärnten nicht.

Hans George Egger betreibt eine kleine Landwirtschaft. Fünf Milchkühe, 25 Mutterkühe, ein bisschen Getreideanbau, ein paar Kartoffeln, hin und wieder schlachtet er ein Schwein und verkauft den Speck. „Weit hupfst nicht mit der Landwirtschaft“, sagt er. Da schmerzen solche Geschichten ganz besonders: Vor einem Jahr erhielt Egger ein Schreiben der Agrarmarkt Austria (AMA), in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er in seinen Förderansuchen zu viel Almfläche angegeben habe. Daher seien die Gelder zurückzuerstatten. Die Summe: 30.000 Euro.

„Ich fühl mich nicht als Betrüger“, sagt Egger, der seine Landwirtschaft schon in dritter Generation betreibt. Der Vater war Bauer und davor der Großvater, und wenn man noch eine Generation zurückgeht, kreuzen sich die Eggers mit dem berühmtesten aller Eggers, dem Maler Albin Egger-Lienz. Hätte der einst die hübschen Blumen auf die Holztüren in dem alten Bauernhaus gemalt, Hans Georg Egger könnte nur lachen über den Fall, der ihn die Förderungen von drei Jahren gekostet hat.

Tausende betroffene Landwirte

Der 50-jährige Bauer ist eines der Opfer der falschen Berechnung der Almflächen, weswegen die EU von Österreich mehr als 64 Millionen Euro an zu viel bezahlten Förderungen zurückverlangt (siehe Seite 1). Egger ist einer von tausenden Bauern, die bereits zuvor bezahlt haben. Entweder ist also die EU einer organisierten Betrügermafia unter Österreichs Landwirten auf die Spur gekommen – oder es liegt an etwas anderem. Es dauert nicht lange, bis man von Zweiterem überzeugt ist.

„Das ist der Almkataster“, sagt Egger und legt ein Papier auf den Wohnzimmertisch. „Das sind die Berechnungen des Vermessungsamts.“ Ein zweites Stück Papier. „Und das ist diese Woche gekommen.“ Ein drittes, riesiges Stück Papier mit einem großen Luftbild der Alm. Und jetzt gehen die Berechnungen los.

Die Gemeinschaftsalm hat laut alten Aufzeichnungen eine Fläche von 439 Hektar. Laut Kataster sind es 300 Hektar. Nach einer ungefähren Vermessung, einer Begehung und einer Beratung bei der Landwirtschaftskammer hat Egger 250 Hektar als Futterfläche eingereicht. 2010 bekam der Landwirt zum ersten Mal Luftbilder seiner Alm, anhand derer rechnete er weitere Steinflächen ab, Waldgebiet und Schotter und korrigierte die Futterfläche am Ende auf 170 Hektar.

Im gleichen Jahr, 2010 also, kam ein Prüfer der Agrarmarkt Austria, die die Förderungen der EU in Österreich ausbezahlt. Der Prüfer prüfte und stellte fest, dass eigentlich nur 139 Hektar als echte Futterfläche gelten. Und dann kam diese Woche das riesige, neue Luftbild. Anhand dieses Luftbilds hat die AMA errechnet, dass die Alm eine Futterfläche von 62 Hektar hat.

„. . . das Hilfsformular verwenden“

Nur um die Verwirrung perfekt zu machen: Auch das Vermessungsamt hat sich die Alm angeschaut und war zu seinen eigenen Ergebnissen gekommen. 2005 hatte die Alm demnach eine Fläche von 306 Hektar. Am 1. März 2012 war sie nur noch 294 Hektar groß und in einem Schreiben an Egger vom 7. Mai 2012 hatte sie auf einmal 462 Hektar. „Das“, sagt Egger, deutet auf das jüngste Schreiben des Vermessungsamts und lacht herzhaft, „dient wahrscheinlich zur Berechnung der Grundsteuer.“

Man muss den Kärntner dafür bewundern, dass er nach all dem noch immer lachen kann. Denn möglicherweise drohen ihm wieder Rückzahlung für die vergangenen Jahre, weil sich die Flächen schon wieder geändert haben. „Wer soll sich denn auskennen, wie man die Flächen richtig berechnet, wenn sich nicht einmal die Prüfer auskennen und zu solchen unterschiedlichen Ergebnissen kommen?“

Er habe seine Flächen mithilfe der Landwirtschaftskammer berechnet, der er aber nicht die Verantwortung geben wolle. Es gebe schlicht völlig unterschiedliche Auffassungen, was auf einer Alm als Futterfläche gilt und was nicht. Der „Almleitfaden“ der AMA ist da nicht wirklich hilfreich. Ein Auszug: „Von der Gesamtfläche je Grundstück sind zuerst die nicht anerkennbaren Flächen abzuziehen. Die restliche Fläche ist anhand der Überschirmungsgrade zu bewerten. Hierzu ist die Bildung von Teilflächen entsprechend den unterschiedlichen Überschirmungsgraden notwendig.“ Immerhin: „Es wird empfohlen, das beigefügte Hilfsformular zu werden.“

Die „Überschirmungsgrade“ betreffen übrigens Waldflächen. Und das kann zu massiven Änderungen der Fläche führen: Überschirmt Wald bis zu 20 Prozent der Fläche, gelten 100 Prozent als Futterfläche. Überschirmt der Wald aber 21 Prozent, gelten nur noch 70 Prozent als Futterfläche. „Der Almleitfaden ist nicht eindeutig“, meint Egger. „Ich bin ja nicht allein, es sind tausende Bauern betroffen. Wir sind doch nicht alle Betrüger!“

Klage beim Verwaltungsgerichtshof

Außerdem hätte es nicht viel Unterschied gemacht, hätte man die Almflächen anders angegeben. Egger hat es auf einem Din-A4-Zettel ausgerechnet. Die Betriebsprämie, die er als Landwirt bekommt, errechnet sich aus Alm- und Talflächen. Nimmt man 20 Hektar Tal- und 150 Hektar Almfläche, ergibt das eine jährliche Betriebsprämie von 8000 Euro. Nimmt man dagegen nur 116 Hektar Almfläche und weitherin 20 Hektar Talfläche, ergibt das noch immer 8000 Euro. „Wenn man betrügen will“, sagt Hans Georg Egger, „gibt es ganz andere Möglichkeiten, als die Almflächen falsch anzugeben.“ Bewusst weniger Almfläche anzugeben ist übrigens auch strafbar.

Als die Kontrolle der AMA die Flächendifferenz ergab, schrieb man ihm also die Rückzahlung der 30.000 Euro vor. „Ich hab Glück gehabt“, sagt Egger und liefert damit den Beweis für die Weisheit von Friedrich Torberg, der die Tante Jolesch sagen ließ: „Gott möge uns behüten vor allem, was noch ein Glück ist.“ Das Glück war also, dass Egger in dem Jahr eine Maschinenhalle bauen wollte und deshalb Geld auf der Seite hatte. Und um den Rest aufzubringen, „da hab ich halt viel Holz geschlägert“. Denn wer der Zahlungsaufforderung nicht binnen kurzer Frist nachkommt, dem drohen Zinszahlungen.

„A paar schlaflose Nächte hab i aber schon ghabt.“ Das Ergebnis dieser Nächte war eine Klage beim Verwaltungsgerichtshof, weil „ich nix angestellt hab“. Einige Freunde von ihm, die erst noch den Kopf über ihn und sein Schicksal geschüttelt haben, ist es mittlerweile ähnlich ergangen. Auch sie haben beim VwGH geklagt. Mittlerweile kommen Anfragen aus allen Bundesländern an Egger und seine Freunde, weil sich die Bauern Hilfe und Beratung erhoffen.

Vielleicht ist die Klage aber auch gar nicht mehr notwendig, weil Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich ja von möglichen Fehlern in der „Agrarbürokratie“ sprach und meinte, es dürfe nicht am Bauern hängen bleiben. Egger reagiert auf diese Feststellung mit einem unveränderten Gesichtsausdruck. Viele Jahre Erfahrung als Landwirt haben bei ihm bei Politikerversprechen keinen Platz für Emotionen wie Hoffnung gelassen.

Ein Schrank voller Aktenordner

Draußen auf dem Lindner-Traktor klebt neben dem Lenkrad ein Zettel. Auf dem trägt Egger ein, wann er welches Feld womit gedüngt hat. Am Abend muss er die Daten in ein spezielles Computerprogramm eintragen, damit der Kontrollor später überprüfen kann, ob er nicht zu viel, zu wenig oder überhaupt zu chemisch gedüngt hat.

„Mein Vater hat einen einzigen Aktenordner gehabt“, sagt Hans Georg Egger, „ich hab einen ganzen Schrank davon.“ Manchmal, sagt er, überlege er schon, ob es nicht gescheiter gewesen wäre, irgendwo in einem anderen Job zu arbeiten. Die Milchkühe müssen um 5.30 Uhr zum ersten Mal gemolken werden, am Abend noch einmal um 18 Uhr, „aber da ist die Arbeit noch nicht aus“.

Ob er hofft, dass eines seiner fünf Kinder – drei Buben, zwei Mädchen – einmal den Hof übernimmt? Hans Georg Egger, Landwirt in dritter Generation, denkt recht lange nach. „Na ja“, sagt er schließlich, und lächelt müde, „man wird sehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2013)

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