Die unvollendeten Wagner-Denkmäler in Leipzig

So wird das neue Denkmal am Promenadenring aussehen: Gestaltet hat es der 1957 in Fritzlar geborene Bildhauer Stephan Balkenhol.
So wird das neue Denkmal am Promenadenring aussehen: Gestaltet hat es der 1957 in Fritzlar geborene Bildhauer Stephan Balkenhol.(c) Stadt Leipzig
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Am 22. Mai wird in Wagners Geburtsstadt, Leipzig, eine neue Plastik auf dem Sockel von Max Klinger enthüllt. Eine Ausstellung wird Klinger, Wagner und Karl May als "Weltenschöpfer" vergleichen.

„Pornowürfel“ – wegen der drei völlig nackten Rheintöchter – nennt der Leipziger Volksmund respektlos den Sockel des Richard-Wagner-Denkmals von Max Klinger. Für Wagners 100.Geburtstag 1913 geplant, wurde es nie vollendet. Es blieb bei der Grundsteinlegung, dann kam der Erste Weltkrieg.

Den nächsten Grundstein für ein Wagner-Denkmal in Leipzig legte 1934 der bekennende Wagnerianer Adolf Hitler selbst: Aber auch das expressionistische Werk des Bildhauers Emil Hipp sollte nie aufgestellt werden; zunächst fanden die Nazis seine Symbole zu wenig „heldisch“ und zu „romantisch“, dann kam der Zweite Weltkrieg. Und nach 1945 hatte man in Leipzig verständlicherweise kein Interesse daran, ein Prestigeprojekt der NS-Diktatur zu vollenden. 2008 schlug der Denkmalpfleger Wolfgang Hocquél vor, das gigantische Werk doch aufzustellen; dagegen wehrte sich u.a. Kunsthistoriker Frank Zöllner, der in Hipps allegorischen Figuren eine Huldigung der „Kraft, Ewigkeit und Zuversicht der nationalsozialistischen Jugend“ sah und Hipp als „Nazi-Bildhauer ersten Ranges“ bezeichnete.

Nun, pünktlich zum 200.Geburtstag am 22.Mai, soll ein gewiss nicht unkritisch heldisches Wagner-Denkmal eröffnet werden: Auf dem alten Sockel von Max Klinger steht eine kleine, fast karikaturistisch anmutende Plastik des jungen Wagner, hinter ihm ragt eine mehr als doppelt so große dunkelgraue Silhouette auf. Eine simple Interpretation dieses Werks von Stephan Balkenhol liegt nahe: Wagner wird von seinem Ruf überragt, und von der dunklen Ideologie, die sich auf ihn berief. Und auch gut berufen konnte: Dass er ein Antisemit war, ist unbestritten.

Als „Weltenschöpfer“ wird er in einer weiteren, noch zu eröffnenden Leipziger Ausstellung gezeigt, gemeinsam mit dem auch sehr an (allerdings vor allem antiken) Mythen interessierten Max Klinger – und mit dem ebenfalls aus Sachsen stammenden Karl May. Man wird sehen, wie Old Shatterhand und Parsifal, Nscho-tschi und Kundry, Rih und Brane einander ähneln.

Hat Wagners Mythologie die Popkultur dauerhafter geprägt als die Karl Mays? Dafür spricht das „Wave-Gotik-Treffen“, das alljährlich zu Pfingsten an die 20.000 meist fantasievoll verkleidete Besucher nach Leipzig lockt. Heuer beginnt es mit einem „Parsifal“-Konzert am Völkerschlachtdenkmal.

„Weltenschöpfer – Richard Wagner. Max Klinger. Karl May“, Museum der Bildenden Künste, 16.Mai bis 15.September.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2013)

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