Aussöhnung à la Erdoğan

Turkey's PM Erdogan addresses members of parliament from his ruling AKP party during a meeting at the Turkish parliament in Ankara
Turkey's PM Erdogan addresses members of parliament from his ruling AKP party during a meeting at the Turkish parliament in AnkaraREUTERS
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Eine Entschädigung für Mavi-Marmara-Opfer ist auf Schiene. Die scharfe Kritik Erdoğans an Israels Angriffen in Syrien klingt indes nicht nach Entspannung.

Istanbul. Auch wenn die Zeichen zwischen Israel und der Türkei zuletzt auf Tauwetter standen. Auch wenn es in Jerusalem vielversprechende Bemühungen gibt um eine Einigung mit der Türkei im Streit um den israelischen Angriff auf das türkische Gaza-Schiff Mavi Marmara: Jerusalem kann nicht mit stärkerer Unterstützung aus Ankara auf der internationalen Bühne rechnen.

Der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan zählt zwar zu den schärfsten Kritikern des syrischen Staatschefs Bashar al-Assad, am Dienstag kritisierte er aber den jüngsten israelischen Luftangriff auf Syrien scharf. „Inakzeptabel“ sei dieser Angriff gewesen, sagte Erdoğan vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP in Ankara. Solche Aktionen seien ein Geschenk für Assad: Der syrische Präsident könne den israelischen Einsatz benutzen, um von den Gräueltaten seines Regimes abzulenken.

Erdoğan schaut dabei vor allem aufs heimische Publikum und auf seine Bewunderer im arabischen Raum. Scharfe Töne Richtung Israel ist man von ihm gewohnt. Er wirft den Israelis „Staatsterror“ gegenüber den Palästinensern vor und pflegt enge Kontakte zur militanten Organisation Hamas. Erdoğans Israel-kritische Haltung machte den türkischen Ministerpräsidenten in den vergangenen Jahren in arabischen Ländern zu einem Volkshelden. So mancher arabische Machthaber schreckt aus Rücksicht auf die Schutzmacht USA vor offener Kritik an Israel zurück. Erdoğan nahm dagegen kein Blatt vor den Mund, wenn er auch ein treuer US-Verbündeter geblieben ist.

Die Führungsrolle der Türkei in der muslimischen Welt konnte Erdoğan damit untermauern. Gleichzeitig wuchsen die Hürden für eine Wiederannäherung an den früheren Partner Israel. Zum Knackpunkt wurde die blutige Erstürmung der Mavi Marmara durch Israel im Mai 2010. Erdogan warf den israelischen Botschafter aus dem Land, stoppte gemeinsame Manöver der türkischen und israelischen Streitkräfte und stellte Israel drei Bedingungen für die Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen: eine öffentliche Entschuldigung, Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen der Mavi-Marmara-Opfer sowie ein Ende der Gaza-Blockade.

Da Israel alles ablehnte, verharrten die türkisch-israelischen Beziehungen lange im Eisfach. Erst der persönliche Einsatz von Barack Obama brachte Ende März unerwartetes Tauwetter. Der US-Präsident drängte Israel zur Entschuldigung, weil er angesichts der Krisen in Syrien und im Iran den Dauerstreit zwischen seinen beiden wichtigsten Partnern in der Region als gefährlich für die US-Interessen ansieht. Unter dem Druck der Amerikaner sind sich Türken und Israelis schnell einig geworden, was die Entschädigungszahlungen für die Mavi Marmara angeht. Nach Meldungen von Montagabend steht der Abschluss der Verhandlungen kurz bevor, noch vor Erdogans Besuch bei Obama in Washington am 16. Mai soll alles unter Dach und Fach sein. Offenbar ist die Einrichtung eines türkisch-israelischen Fonds zur Abwicklung der Entschädigungszahlungen geplant.

Hinterbliebene wollen Geld vorerst nicht

Doch die türkische Forderung nach einem Ende der Gaza-Blockade macht noch Schwierigkeiten. Erdoğan will noch in diesem Monat den Gazastreifen besuchen und braucht nicht zuletzt aus innenpolitischen Gründen ein irgendwie geartetes Entgegenkommen Israels in der Frage der Blockade. Angehörige der Mavi-Marmara-Opfer haben bereits angekündigt, dass sie kein israelisches Geld annehmen werden, wenn sich in Sachen Gaza-Blockade nichts tut.

Erdoğan will sich 2014 zum Präsidenten wählen lassen und kann die Optik, unter Druck der USA die Israelis mit Samthandschuhen anzufassen, gar nicht gebrauchen. Deshalb machte seine Kritik an Israel vom Dienstag eines deutlich: Selbst bei einer Einigung mit Israel in der Entschädigungsfrage dürfte die Türkei in vielen Bereichen weiter auf Distanz zum jüdischen Staat bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2013)

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