„Auch die Schweiz wird sich nicht wehren können“

Bruno Gurtner
Bruno Gurtner(C) Attac
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Schweizer Steuerexperte sieht Fortschritte im Kampf der Finanzbehörden gegen Steueroasen und glaubt, dass der automatische Steuerdatenaustausch trotz Widerstands einzelner Länder bald Standard sein wird.

Wien/Ju. Österreich habe sich mit seiner grundsätzlichen Zustimmung zu Verhandlungen der EU über Steuerdatenaustausch mit Drittländern zwar positiv bewegt, im Prinzip sei man mit der gestrigen Entscheidung aber „dort, wo man schon vorgestern war“, sagte der frühere Präsident des Tax Justice Network, Bruno Gurtner, im Gespräch mit der „Presse“.

Österreich halte weiterhin an seinem Bankgeheimnis und an seinen Steuerabkommen mit der Schweiz und Liechtenstein (die statt des Datenaustausches eine Abgeltungssteuer vorsehen) fest. Das werde wohl nicht mehr lange durchzustehen sein, sagte Gurtner, der an einer von Attac organisierten Podiumsdiskussion in Wien teilnahm.

Wie berichtet hat Österreich dem Verhandlungsmandat der EU am Dienstag zugestimmt, die Ausnahmebestimmungen mit der Schweiz und Liechtenstein aber verteidigt. Gurtner, selbst Schweizer, meint aber, dass sich die Schweiz selbst nicht mehr lange gegen den automatischen Datenaustausch wehren werde können. Der politische Druck aus den USA und aus der EU sei zu groß geworden. Und mit der Drohung, keine Geschäfte mehr in den USA oder in EU-Zentren abwickeln zu dürfen, könnten die Schweizer Banken nicht leben.

Das Tax Justice Network, eine in London ansässige NGO, hat sich zum Ziel gesetzt, internationale Steuergerechtigkeit durch den Kampf gegen Steueroasen und für mehr Transparenz im Finanzsystem herzustellen. In diesen Punkten sieht Gurtner große Fortschritte: Es gebe international sehr starke Tendenzen, „Steuervermeidung“ stärker zu bekämpfen.

Seine Organisation habe die Diskussion mitgeprägt, er sei aber „nicht so vermessen“ zu glauben, dass der so erzeugte Druck Hauptauslöser für die neue Einstellung gegenüber Steueroasen war. Stärkstes Motiv sei der durch die Finanzkrise enorm gestiegene Geldbedarf hoch verschuldeter Staaten gewesen. Immerhin werde geschätzt, dass allein private Vermögen im Ausmaß von bis zu 32.000 Mrd. Euro in Steueroasen liegen. Ein relativ großer Teil davon unversteuert.

Ende der Gruppenbesteuerung?

Gurtner sieht aber nicht nur in grenzüberschreitender Steuerhinterziehung ein Problem, sondern auch in den (meist legalen) Steuervermeidungsstrategien internationaler Konzerne. Hier gebe es bereits eine Initiative innerhalb der OECD, um das abzustellen. Im Prinzip gehe es vorerst einmal darum, Unternehmen zu einer „detaillierten länderweisen Berichterstattung“ über ihre Aktivitäten zu verpflichten und die wirtschaftlich Berechtigten bei anonymen Stiftungen, Trusts und Briefkastenfirmen aufzudecken. Danach könne man ein System entwickeln, nach dem Unternehmen dort Steuern zahlen, wo sie produktiv tätig sind. Und zwar in dem Ausmaß, indem sie dort produktiv tätig sind. Das wäre das genaue Gegenteil der derzeitigen Gruppenbesteuerung, die es erlaubt, für die Steuer Gewinne durch das Gegenrechnen ausländischer Verluste zu minimieren.

Dabei gebe es Abgrenzungsprobleme, die aber lösbar seien. Gurtner meint, dass im Offshore-Bereich Unternehmen ein zumindest ebenso großes Problem wie Private darstellen – und zitiert dazu eine US-Studie über „schmutzige“ Gelder, die ergab, dass nur ein Drittel davon aus kriminellen Aktivitäten, zwei Drittel aber aus kommerziellen Geschäften stammten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2013)

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