Syrien: Hisbollah kämpft um Rebellenhochburg Qusair

Syrien Kampf Rebellenhochburg Qusayr
Syrien Kampf Rebellenhochburg Qusayr(c) EPA (Maysun)
  • Drucken

Die syrische Armee kontrolliert nach eigenen Angaben den Hauptplatz der Stadt. Die libanesische Hisbollah unterstützt die Regierungstruppen.

Syrische Regierungstruppen haben mit einem umfassenden Angriff auf die strategisch bedeutende Rebellenhochburg Qusair begonnen. Bei Luft- und Artillerieangriffen sowie Kämpfen in der Stadt wurden laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte seit Sonntag mindestens 80 Menschen getötet. Auf Regierungsseite starben dabei auch mindestens 23 Mitglieder der libanesischen Hisbollah-Miliz.

Laut der Beobachtungsstelle flog die Luftwaffe Sonntag früh Angriffe auf Qusair. Zudem habe es Artilleriebeschuss gegeben. Armeeeinheiten nahmen nach eigenen Angaben das Stadtzentrum ein. "Die syrische Armee kontrolliert den Hauptplatz von Qusair und die umliegenden Gebäude", sagte ein Armeevertreter. Ein Regierungssoldat erklärte im Staatsfernsehen, einhundert bewaffnete Männer seien in heftigen Kämpfen getötet worden.

Hisbollah unterstützt Regierungstruppen

Die Opferzahlen gingen zunächst auseinander: Die Beobachtungsstelle sprach von mindestens 52 Getöteten, darunter 21 Rebellen. Die Regierungstruppen wurden von der schiitischen Hisbollah-Miliz unterstützt. Die "Freie Syrische Armee" sprach von 30 getöteten Hisbollah-Mitgliedern seit Sonntag, die Beobachtungsstelle von 23. Libanesische Medien berichteten, sieben Leichen von Hisbollah-Kämpfern seien aus Syrien in ihre Heimatorte gebracht worden, um dort begraben zu werden.

Die Armee und regierungstreue Kämpfer versuchen seit Wochen, die strategisch wichtige Stadt zwischen Damaskus und der Mittelmeerküste unter Kontrolle zu bringen. Qusair war seit mehr als einem Jahr in der Hand der Rebellen, die seit März 2011 gegen Assad kämpfen.

Die wichtigste syrische Oppositionsgruppe Nationale Koalition fordert eine Ende des "Massakers" in Qusair und beklagte "barbarische und zerstörerische Luftangriffe" auf die Stadt. Die Arabische Liga berief für Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung ein. Auch das französische Außenministerium zeigte sich "zutiefst besorgt" über die Lage in Qusayr.

Weitere Konflikte könnten aufbrechen

Während die Verwicklung libanesischer Kämpfer in den syrischen Bürgerkrieg die Spannungen im Nachbarland steigen ließ - am Sonntag starben zwei Menschen bei Zusammenstößen in der libanesischen Hafenstadt Tripolis - wuchs auch die Furcht vor einer Eskalation des syrisch-israelischen Konflikts.

Die Londoner "Sunday Times" berichtete am Sonntag, Syrien habe modernste Raketen angriffsbereit gegen Israel in Stellung gebracht. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte daraufhin, Israel sei "auf jedes Szenario vorbereitet". Zugleich bekräftigte er, dass sein Land weiter zu Angriffen auf Waffenlieferungen gegen die Hisbollah-Miliz bereit sei. Israel hatte vor zwei Wochen zum dritten Mal seit Jahresbeginn Ziele in Syrien angegriffen. Der israelische Sicherheitsexperte Shlomo Brom sagte am Sonntag, mit jedem Angriff steige die Wahrscheinlichkeit eines syrischen Gegenangriffs.

Der syrische Präsident Assad lehnte unterdessen einen Rücktritt kategorisch ab. "Rücktritt wäre Flucht", sagte er in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit argentinischen Medien. Er wies zugleich den Vorwurf zurück, im syrischen Bürgerkrieg Chemiewaffen gegen seine Widersacher eingesetzt zu haben.

Assad zeigte sich skeptisch zu Plänen der USA und Russlands für eine internationale Konferenz zur Lösung des Konflikts. Er glaube nicht, "dass viele westliche Länder wirklich eine Lösung für Syrien wollen", sagte Assad. Außerdem könne eine politische Konferenz den "Terrorismus" nicht beenden. Als "Terroristen" bezeichnet die Regierung die von islamistischen Kämpfern unterstützten Rebellen.

USA verurteilen Hisbollah-Eingreifen

Die USA haben das Eingreifen von Hisbollah-Kämpfern in den syrischen Bürgerkrieg scharf verurteilt. Die Beteiligung der Hisbollah beim Angriff auf Qusair am Wochenende bezeichnete das US-Außenministerium als "direkte Intervention". Die Hisbollah spiele eine "entscheidende Rolle in der Offensive des Regimes", sagte Außenamtssprecher Patrick Ventrell am Montag.

Auch US-Präsident Barack Obama äußerte sich in einem Telefongespräch mit dem libanesischen Präsidenten Michel Suleiman besorgt über die Einmischung. Er sprach von einer "aktiven und zunehmenden Rolle" der Hisbollah in Syrien.

Mehr als 70.000 Tote im Bürgerkrieg

In der Provinz Deraa entführten Bewaffnete am Samstag nach Angaben aus Regierungskreisen und der Beobachtungsstelle den Vater des syrischen Vizeaußenministers Faisal Mektad. Der 84-Jährige sei aus dem Haus der Familie im Dorf Ghossom in die Provinzhauptstadt Deraa gebracht worden, hieß es aus Regierungskreisen. In Damaskus wurden am Samstag laut Staatsfernsehen mindestens drei Menschen durch eine Autobombe getötet.

Im syrischen Bürgerkrieg sind nach UNO-Angaben bereits mehr als 70.000 Menschen getötet worden, Hunderttausende wurden in die Flucht getrieben. Die Hilfsorganisation Oxfam befürchtet zunehmende gesundheitliche Probleme bei syrischen Flüchtlingen in Jordanien und im Libanon. Schon jetzt hätten immer mehr Flüchtlinge mit Durchfall- und Hauterkrankungen zu kämpfen, teilte die Organisation am Montag mit. Die bevorstehende Sommerhitze mit Temperaturen über 40 Grad werde die Lage verschlimmern.

(APA/AFP/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Iran Assad Syrien.
Außenpolitik

Syrien: Wie der Iran Assad auf die Siegerstraße bringt

Der Iran und Libanons Schiiten-Miliz Hisbollah haben der Offensive der syrischen Regimetruppen Schwung verliehen. Kurz vor möglichen Friedensgesprächen spürt Machthaber Assad Aufwind.
Österreichs Soldaten am Golan - Werner Faymann möchte den Einsatz überdenken, sollte das Waffenembargo aufgehoben werden.
Außenpolitik

Waffen an Rebellen: Faymann droht mit Golan-Abzug

Der Kanzler ist entschieden gegen eine (teilweise) Aufhebung des Waffenembargos für die syrischen Rebellen. Der britische Premier sieht die Zeit dafür gekommen.
Iran Präsidentenwahl.
Außenpolitik

Irans religiöser Führer reißt die ganze Macht an sich

Der Wächterrat schloss 98,8 Prozent aller Kandidaten aus, darunter zwei vergleichsweise moderate Bewerber, die Chancen gehabt hätten. Übrig geblieben sind praktisch nur Hardliner wie Atomunterhändler Saeed Jalili.
Kämpfer in Syrien
Außenpolitik

Deutscher Geheimdienst sagt Assad-Vormarsch voraus

Der BND revidiert seine Einschätzung der Lage im Bürgerkrieg. Die Regimetruppen könnten heuer weitere Regionen des Landes zurückerobern.
Klug am Golan
Außenpolitik

Golan-Mission: Klug droht mit Abzug

Sollte die EU das Ende des Waffenembargos gegen Syrien beschließen, will Österreich die Lage vor Ort "neu einschätzen".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.