Karstadt: Der Retter ist entzaubert

Karstadt Retter entzaubert
Karstadt Retter entzaubert(c) EPA (JULIAN STRATENSCHULTE)
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Als Investor Nicolas Berggruen die insolvente Kaufhauskette übernahm, wurde er als Held gefeiert. Doch dem Jubel folgte der Frust: Die Sanierung will nicht gelingen.

Berlin. Nicolas Berggruen hat eine Mission. Der smarte Investor, furiose Netzwerker und Ideengeber ist oft genug zur Stelle, wenn es etwas zu retten gilt. Dazu spannt der in Hotels lebende Weltbürger mit deutscher Muttersprache und US-Pass Expolitiker mit Konzernbossen zusammen, gründet Räte „des 21. Jahrhunderts“ oder „für die Zukunft Europas“ und diktiert den Regierungen seine Konzepte.

Gesetze in Kalifornien tragen seinen Stempel ebenso wie der „New Deal“ zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Als er vor Kurzem in Paris zur Diskussion lud, kamen deutsche Minister, Frankreichs Präsident und Spaniens Regierungschef. In einem Buch erklärt der 52-Jährige, was China und der Westen voneinander lernen können. Zwischendurch wollte er deutsche Warenhäuser retten. Doch die Fingerübung mutiert zum Imagekiller.

Als Berggruen 2010 die insolvente Karstadt-Kette für einen symbolischen Euro übernahm und 65 Mio. Euro an Darlehen beisteuerte, wurde er als Held gefeiert. Doch die Euphorie ist dem Frust gewichen. Denn Karstadt geht es weiterhin schlecht. 2000 Vollzeitarbeitsplätze (bei 22.000 Mitarbeitern) wurden abgebaut, damit sollte die Sanierung abgeschlossen sein.

Doch vor zwei Wochen trat das Unternehmen aus der Tarifbindung aus. Die Löhne werden bis 2015 eingefroren, anders sei die angespannte Lage nicht zu durchtauchen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist empört. In einer Filiale streikten die Mitarbeiter. Sie fordern, Berggruen soll endlich seine „Schatulle“ öffnen.

Doch der Philanthrop, Sohn des berühmten Kunstsammlers Heinz Berggruen, ist auch ein nüchterner Geschäftsmann. Investitionen in die Verjüngung der verstaubten Kaufhäuser sind aus dem Cashflow zu investieren, lautet die Devise in Essen. Der erfahrene britische Manager Andrew Jennings will den 86 Kaufhäusern einen modernen, jugendlichen Anstrich geben und sie mit neuen Marken auf Vordermann bringen. Doch die im August gestartete Offensive wirkt nicht. Zuletzt ist der Umsatz laut „Handelsblatt“ um zehn Prozent eingebrochen. Experten sehen den Fehler in der schwachen Vermarktung des Konzepts: Ohne massive Werbung wissen die angestrebten jungen Zielgruppen gar nichts von der schönen neuen Karstadt-Welt.

Kein Geld für Werbung

Dafür aber fehlen die Mittel. Im Geschäftsjahr bis zum Oktober 2011 schrieb Karstadt einen Verlust von 21 Mio. Euro, seitdem hat sich die Lage weiter verschlechtert. Nur die 28 Sportfilialen und die drei Luxusstandorte (KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München) laufen gut. Im Wettbewerb mit Kaufhof, das sich zur Mustertochter des Metro-Konzerns gemausert hat, und mit dem boomenden Online-Handel verliert Karstadt weiter an Terrain. Der kostbarste Schatz ist längst weg: die Immobilien.

Im Jahr 2007 wurden sie an ein Konsortium unter Führung von Goldman Sachs verkauft, um zu Geld zu kommen. Seit Berggruens Übernahme ist der Pachtzins reduziert. Kurz vor Weihnachten kaufte der österreichische Investor René Benko in einem Joint Venture die Immobilien von 17 Kaufhäusern, darunter dem Berliner KaDeWe. Viele haben beste Lagen. Auch wenn Karstadt zusperrt, dürfte Benko sie gut oder besser vermieten können. Für so manche deutsche Stadt mittlerer Größe sind die Kaufhäuser aber das Rückgrat des Handels im Zentrum. Ohne sie drohen Innenstädte zu veröden.

Um sein Image zu retten, gab Berggruen nun Interviews in der „Bild“ und im „Tagesspiegel“, in denen er den Gewerkschaften „unfaires“ Verhalten vorwirft. Am Dienstag beriet er in Essen, wie Karstadt aus der Krise kommen kann. Das macht er zweimal im Jahr. Mehr Zeit hat er nicht, er muss sich um andere strategische Beteiligungen kümmern – und den Mächtigen seinen Rat spenden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2013)

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