Die Antikorruptionseinheit nimmt die Sekretärin und „rechte Hand“ von Regierungschef Nečas fest. Dieser lehnt einen Rücktritt ab.
Prag/Hjs. Das politische Prag steht Kopf: Bei einer Großrazzia der Antikorruptionseinheit in Prag in der Nacht zum Donnerstag wurde auch das tschechische Regierungsamt durchsucht. Mehrere Politiker wurden festgenommen, darunter die Büroleiterin und „rechte Hand“ von Premier Petr Nečas, Jana Nagyova. Die Polizeirazzia erstreckte sich auch auf das Verteidigungsministerium, den Prager Magistrat, mehrere Firmen sowie die Dienst- und Wohnräume einiger Lobbyisten, die Großaufträge des Staates zu günstigen Konditionen bekommen haben sollen.
Die Abgeordneten, die am Morgen zu einer Tagung zusammengekommen waren, wurden von Innenminister Jan Kubice lediglich darüber informiert, dass die Razzia stattgefunden habe. Informationen sickerten tröpfchenweise nur über die Medien durch. Zahlreiche Politiker zeigten sich geschockt. Einige nannten die Entwicklung sehr ernst. Sollte die Festnahme der Büroleiterin von Nečas aufgrund eines tatsächlichen Verdachts hin zustande gekommen sein, sei auch der Premier gefährdet und vermutlich nicht im Amt zu halten. Mehrere Politiker brachten bereits vorgezogene Wahlen ins Gespräch.
Nečas selbst meldete sich erst am Nachmittag zu Wort: „Ich habe keinen Grund, über meinen Rücktritt und damit über den Fall der Regierung nachzudenken“. Gleichzeitig bestätigte er, dass seine Kabinettschefin unter den Festgenommenen ist. Sein Vertrauen zu ihr sei nicht gesunken. Der sichtlich empörte Premier kritisierte das Vorgehen der Ermittler.
Kommentatoren begrüßten den Einsatz. Er zeige, dass die Polizei endlich gewillt sei, Licht in zahllose dunkle Geschäfte und in kriminelle Verbindungen zwischen Politik und „Lobbyisten“ zu bringen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2013)