Nicht nur soll die eifersüchtige Sekretärin des Premiers dessen Ehefrau bespitzelt haben, sie soll für ihn auch Abgeordnete bestochen haben. Nečas will aber nicht gehen.
Prag. Wenn es nicht so ernst wäre, müsste man laut lachen: Tschechiens politische Elite droht den Bach hinunter zu gehen, aber zu großen Teilen geht es um ein Eifersuchtsdrama zwischen Premierminister Petr Nečas und seiner Büroleiterin Jana Nagyova.
So jedenfalls lautet die Aussage der Staatsanwaltschaft, die die massive Polizeirazzia am Donnerstag bis hoch in die höchsten politischen Kreise Tschechiens angeordnet hat. Drei Stränge verfolgten die Ermittler im Verlauf von eineinhalb Jahren. Doch ganz Tschechien spricht jedoch nur über den einen Strang: Der betrifft das Verhältnis zwischen Premier Petr Nečas und seiner „rechten Hand“, Büroleiterin Jana Nagyova. Seit Monaten geistert die Story von einem geheimen Verhältnis zwischen den beiden durch die Medien.
Offiziell ist der Premier noch verheiratet: Aber Anfang dieser Woche gaben pikanterweise er und seine Frau die bevorstehende Scheidung bekannt. Zwei der vier gemeinsamen Kinder betrifft das nicht – sie sind erwachsen. Zwei Töchter bleiben in der Obhut der Noch-Ehefrau des Premiers.
Lukrative Jobs für lästige Parteirebellen
Da sich die Eheleute Nečas nach eigenen Worten bereits schon seit langer Zeit „auseinandergelebt“ haben, bleibt es das Geheimnis der Büroleiterin, weshalb sie im vergangenen Jahr beim ehemaligen Chef der Militär-Spionage beantragt hat, die Ehefrau zu beschatten. Dieses Vorgehen war in jedem Fall gesetzeswidrig. Jetzt, so drohte es die Staatsanwaltschaft an, drohen ihr bis zu fünf Jahren Gefängnis. Dazu einige Prager Kommentatoren: „Die Liebe erzeugt unglaubliche Dinge.“
Die Polizisten der Anti-Korruptionseinheit, die in einer für Tschechien beispiellosen Aktion bis in höchste politische Funktionen ermittelten, fanden jedoch auch andere Dinge heraus:
So den Fall dreier Abgeordneter der regierenden ODS. Die hatten sich vor einem Jahr in einer Debatte über ein Sparpaket der ODS gegen den Premierminister gestellt und wären auch bereit gewesen, die Regierung zu stürzen, falls es zu einer Vertrauensabstimmung im Parlament gekommen wäre. Einer der drei Abgeordneten versuchte gar sein Glück in einer Gegenkandidatur zu Nečas auf einem ODS-Parteitag – vergeblich. Tage später gaben die Abgeordneten überraschend ihr Mandat auf – um wenig später als Aufsichtsratsmitglieder hoch dotierte Posten in halbstaatlichen oder staatlichen Betrieben einzunehmen.
Schon damals kursierte das Gerücht durch die Lande, Nečas habe die drei „Rebellen“ geschickt verdrängt, um Ruhe in der eigenen Partei zu haben und eine Misstrauensabstimmung im Parlament zu überstehen. Was dann auch tatsächlich eintrat. Das „Bestechungsgeld“ soll seinerzeit – laut den Ermittlern – von Büroleiterin Nagyova gezahlt worden sein. Ein Liebesdienst für den Regierungschef, könnte man sagen. Die Polizei sei durch Telefonabhörungen und Analyse von SMS-Nachrichten zu diesem Schluss gekommen.
Der dritte Strang der Ermittlungen richtet sich gegen „Lobbyisten“, die man in Prag in Anlehnung zur italienischen Mafia nur „Paten“ nennt. Konkret geht es um zwei „Paten“ – die über gehörigen Einfluss vor allem in Prag verfügen. Die Polizei durchsuchte ihre Büroräume und Wohnungen und beschlagnahmte Bargeld in Höhe von bis zu 150 Millionen Kronen (600.000 Euro) sowie Dutzende Kilogramm Gold. Diese „Paten“ konnten die Ermittler allerdings nicht erwischen: Die Männer hatten dem Vernehmen nach Wind von der Razzia bekommen und sich rechtzeitig abgesetzt. Einer der „Paten“ hat seinen ständigen Wohnsitz in Monaco, der andere in Kroatien.
Regierungschef Nečas lehnte gestern vor dem Parlament seinen Rücktritt erneut ab und beschuldigte die Polizei „unverhältnismäßiger Untersuchungen“. Er sehe in seinem damaligen Vorgehen „kein Problem“. Es sei „nichts Ungewöhnliches“, wenn die Partei weiterhin mit Leuten rechne, die sich zu ihr loyal verhalten und den Sturz der Regierung verhindert hätten. „Ich werde dich unterstützen und du wirst mich unterstützen“ – das sei ein „standesgemäßer Bestandteil der Politik“, so der Premier.
Vertreter der linken Opposition verlangten den Rücktritt von Nečas. Anderenfalls würden sie einen Misstrauensantrag im Parlament einbringen, der die gesamte Regierung zu Falle bringen und den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimachen würde. Die Koalitionspartner von Nečas standen aber gestern weiterhin hinter ihrem Premierminister.
Noch am Freitag wollte Staatspräsident Milos Zeman mit Nečas, dem sozialdemokratischen Oppositionsführer Sobotka und Vertretern der Polizei sowie der Staatsanwaltschaft konferieren. In den sozialen Netzwerken wie Facebook verbreitete sich in diesem Zusammenhang die Sorge, dass Zeman den früheren Präsidenten Vaclav Klaus mit der Bildung einer Übergangsregierung betrauen könnte.
Zeman und Klaus gelten als politische Freunde – die in einigen politischen Fragen nicht einer Meinung seien, aber im Grundsatz gleiche Vorstellungen über die Leitung des Staates hegten.
Auf einen Blick
Maskierte Polizisten haben am Donnerstag das Regierungsamt in Prag gestürmt, einige prominente Politiker wurden festgenommen – darunter die Büroleiterin von Premier Nečas. Bei der Großrazzia wurden möglicher Stimmenkauf im Parlament und eine höchst pikante Spitzelaffäre im Umfeld des tschechischen Premierministers aufgedeckt. So soll unter anderem die Büroleiterin des Regierungschefs – mit der er angeblich eine Affäre hatte – dessen Ehefrau bespitzeln haben lassen. Zudem wird dem Premier Bestechung vorgeworfen: Er soll lästige Parteirebellen verdrängt haben, indem er ihnen lukrative Staatsposten anbot.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2013)