Prager Affäre: Die Bespitzlerin wurde selbst bespitzelt

Prager Affäre: Die Bespitzlerin wurde selbst bespitzelt
Prager Affäre: Die Bespitzlerin wurde selbst bespitzelt(c) REUTERS (STRINGER)
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Während Tschechiens Premier Nečas in der Korruptions- und Abhöraffäre zurücktrat, wurden pikante neue Details bekannt: Die Polizei hörte intime Telefonate der Hauptbeschuldigten mit dem Premier ab.

Prag. So schnell kann es gehen: Noch Ende vergangener Woche hatte Tschechiens Premier Petr Nečas einen Rücktritt in der Prager Korruptions- und Abhöraffäre kategorisch ausgeschlossen, doch am frühen Montagabend musste er dann doch den schweren Gang zu Präsident Miloš Zeman antreten, um seinen Rücktritt einzureichen.

Der Linkspolitiker Zeman hatte dies dem konservativen Premier auch nahegelegt. Damit lag der Ball beim Präsidenten, denn er kann theoretisch als Regierungschef nominieren, wen er will. Zemans Haltung ist unkalkulierbar. Denkbar wäre sogar, dass er die Sozialdemokraten mit der Regierungsbildung beauftragt, die nominell die letzte Wahl gewonnen hatten, seinerzeit aber keinen Partner für eine Parlamentsmehrheit fanden. Zeman könnte jedoch auch eine Beamtenregierung bis zur nächsten Wahl 2014 einsetzen. In diesem Zusammenhang kursiert nach wie vor auch der Name Václav Klaus als Premier.

Die Parteien, die die Rolle des sehr ambitionierten Zeman mit Argwohn betrachten, könnten den Präsidenten nur aus dem Spiel nehmen, wenn sie sich auf die Auflösung des Parlaments und eine vorgezogene Wahl einigten. Doch dazu brauchten sie eine Drei-Fünftel-Mehrheit, die schwer zu bekommen sein wird. Viele Abgeordnete wissen, dass sie kaum mehr ins Parlament kommen, und haben keinerlei Interesse an einem politischen Frührentner-Dasein.

Büroleiterin gab Abhörauftrag zu

Die Affäre, die binnen Tagen zum Sturz von Nečas führte, droht derweil auch noch unappetitlich zu werden: Die Ermittlungsorgane an der Moldau haben nämlich eingeräumt, das Telefon von Jana Nagyová, der Büroleiterin und Geliebten von Nečas, ein halbes Jahr lang angezapft zu haben. Wie der Anwalt von Nagyová, der Schlüsselfigur in Tschechiens beispiellosem Skandal, mitteilte, sei seiner Mandantin dies vor dem Haftrichter offenbart worden. Die Büroleiterin war am Freitag im Zuge einer Großrazzia, bei der auch das Amt des Premiers und das Verteidigungsministerium durchsucht wurden, verhaftet worden.

Nagyová hat also nicht nur illegalerweise Nečas‘ Ehefrau durch den Militärgeheimdienst überwachen lassen, sie wurde auch selbst abgehört. Belauscht beziehungsweise mitgeschrieben wurden dabei zahlreiche intime Gespräche und Kurzmitteilungen zwischen Nagyová und Nečas. Das Telefon des Premiers sei zwar unangetastet geblieben, dennoch sei das seiner Mandantin alles „furchtbar peinlich“, sagte der Anwalt.

Unklar ist, was mit diesen intimen Informationen passieren wird. Sie könnten Teil der Anklageschrift, archiviert oder vernichtet werden. Die Polizei und der federführende Staatsanwalt Ivo Istvan wollten das bislang gegenüber der Öffentlichkeit nicht kommentieren, wie die Zeitung „Pravo“ schrieb.

Nagyová hat laut ihrem Anwalt inzwischen übrigens das Bespitzeln von Frau Necasova zugegeben. Dabei sei es ihr jedoch nicht darum gegangen, Belege für eine mögliche eheliche Untreue zu finden, die Nečas hätten veranlassen können, seine geplante Scheidung voranzutreiben. Frau Nagyová, so ihr Anwalt, habe ihm gegenüber betont: „Ich habe meinen Stolz. Das muss der Premier selbst entscheiden. Ich habe da keinen Druck gemacht. Die Scheidung wollte er selbst.“

Was wusste der Premier?

Nagyová wiederum hat eine kuriose Begründung für die von ihr initiierte Abhöraktion gegeben: Laut ihrer Aussage sei es darum gegangen, zu klären, ob Nečasova dubiose Verbindungen zu den Zeugen Jehovas unterhalte. Sie habe sich vor einer Medialisierung entsprechender Gerüchte gefürchtet und die Familie des Premiers schützen wollen. Den militärischen Geheimdienst habe sie „in der naiven Annahme“ um Hilfe gebeten, er sei deutlich vertrauenswürdiger als eine Detektei.

Inwieweit Nečas selbst von der Beschattung seiner Frau wusste, ist nach wie vor unklar. Angeblich soll Nagyová ihm schon 14 Tage vor der Razzia im Regierungsamt Fotos gezeigt haben. Sie habe aber nicht gebeichtet, dass sie die Aktion unter Missbrauch ihrer Macht eingefädelt hatte.

Diese Macht ist nun dahin, ebenso die ihres bisherigen Chefs. Über einen Vorschlag zu dessen Nachfolge wollen sich in den kommenden Tagen die drei derzeitigen Mitte-rechts-Regierungsparteien verständigen. Als Favorit gilt der erste Stellvertreter von Nečas in der konservativen Bürgerpartei, Industrie- und Handelsminister Martin Kuba. Der hat freilich den Makel, dass er in seinem südböhmischen Heimatkreis lange als „Marionette“ eines einflussreichen „Paten“ galt, also Verbindungen zur Wirtschafts- und Finanzmafia hatte, die die Regierung seit ihrer Bildung so vehement zu bekämpfen vorgibt.

Der zweitwichtigste Partner in der Regierung, die konservative TOP09 von Außenminister Karel Schwarzenberg, erkennt zwar das Vorschlagsrecht der ODS für den neuen Premier an. Man werde sich aber jeden Vorschlag sehr genau ansehen. Sollte man sich nicht einigen, wäre die TOP 09 für eine vorgezogene Parlamentswahl.

Auf einen Blick

Tschechiens Antikorruptionspolizei führte in der Nacht auf Donnerstag eine Großrazzia durch. Dabei wurden unter anderem das Büro von Premier Petr Nečas und das Verteidigungsministerium durchsucht und die Büroleiterin des Regierungschefs verhaftet. In der Affäre geht es um mehrere Korruptionsfälle, aber auch um Amtsmissbrauch: Büroleiterin Jana Nagyová, der ein Verhältnis mit dem bisherigen Premier nachgesagt wird, soll dessen Frau bespitzeln haben lassen. Nečas trat am Montag zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2013)

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