EU-Konferenz: Bringt Jugendgipfel nur "Kosmetik"?

EUKonferenz Bringt Jugendgipfel Kosmetik
EUKonferenz Bringt Jugendgipfel Kosmetik(c) REUTERS (JOHN KOLESIDIS)
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20 Staats- und Regierungschefs wollen in Berlin zeigen, dass sie etwas für die "verlorene Generation" tun. Aber was kann Geld bewirken?

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EUKonferenz Bringt Jugendgipfel Kosmetik(c) Die Presse / PW

Berlin. Nichts lockt mehr Spitzenpolitiker an als ein günstiges Licht, in das sie sich stellen können. So auch am Mittwoch in Berlin, bei der „Konferenz zur Jugendbeschäftigung“. Aus dem geplanten Treffen der Praktiker wird fast ein inoffizieller EU-Gipfel: Über 20Staats- und Regierungschefs folgen der Einladung von Kanzlerin Merkel. Es kommen Hollande aus Frankreich, Faymann aus Österreich, Barroso und Van Rompuy aus Brüssel. Niemand will abseitsstehen, wenn das dringendste Problem Europas publikumswirksam angepackt wird.

Es geht darum, wie EU-Zusatzmittel gegen die dramatische Jugendarbeitslosigkeit in den Krisenstaaten am besten einzusetzen sind. Die im Februar angekündigten sechs Milliarden Euro fließen nun schon in den beiden kommenden Jahren. Zusätzlich werden 16 Milliarden an ungenutzten Mitteln aus Strukturfonds umgewidmet. Die Europäische Investitionsbank (EIB) hebelt mit einem „hohen einstelligen Milliardenbetrag“ ein Vielfaches davon an Krediten für Unternehmen, die sich bemühen, Jugendliche zu beschäftigen.

Doch deutsche Ökonomen sehen die Aktivitäten mit Skepsis. „Die ganze Aktion ist Kosmetik und hilft vor allem den Politikern“, ärgert sich Karl Brenke im „Presse“-Gespräch. Der Arbeitsmarktexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft (DIW) erinnert an die „fatalen“ Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Ostdeutschland nach der Wende: „Da ist viel Geld geflossen, das nur die Statistik geschönt hat.“ Subventionen machten Unternehmen „abhängig wie Alkoholiker“. Auch die Arbeitgeber warnen vor einer plakativen „Jobgarantie“: Es bringe wenig, Jugendliche „ein paar Monate in einen geförderten Job oder eine Ausbildung zu stecken“, sagt Achim Dercks vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag zur Auslandspresse.

Praxisferne Ausbildung

Die beiden Experten sind sich einig: Das Geld ist dann sinnvoll eingesetzt, wenn es Schule und Praxis zusammenführt, wie es Deutsche und Österreicher mit dem dualen System erfolgreich vormachen. Laut Brenke hilft es schon, die Einarbeitungsphase von Jobanfängern finanziell zu unterstützen. Vor allem aber müssen sich in Spanien, Italien oder Portugal die Strukturen der Ausbildung ändern – und das gehe nicht von heute auf morgen.

Besonders schlimm ist die Situation in Spanien, mit einer Erwerbslosenquote von 56,5 Prozent. Sie bedeutet aber nicht, dass mehr als die Hälfte der Jugendlichen nichts zu tun haben. Die von Eurostat in Umfragen ermittelte Zahl bezieht sich nur auf jene, die arbeiten oder Arbeit brauchten. Schüler und Studenten sind ausgenommen. Bezogen auf alle Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren reduziert sich die spanische Quote stark auf 21 Prozent (die viel niedrigere deutsche hingegen nur wenig, von 7,6 auf vier Prozent).

Ist also die Sorge um eine „verlorene Generation“, die bald auf die Barrikaden steigen wird, übertrieben? Keineswegs. Die Zahlen zeigen indirekt das Problem: Südeuropa hat in der Krise zu viele praxisferne Schüler und Studenten. Die Lehrlinge in Deutschland oder Österreich zählen bereits zur Erwerbsbevölkerung. Zudem ist der Anteil der Studenten hier deutlich niedriger als in Spanien und Italien – was die OECD bis heute kritisiert.

Das Problem ist also nicht, dass die jungen Südeuropäer schlecht qualifiziert wären. Aber sie finden in der Rezession auch nach langer, teurer Ausbildung keinen Job, weil ihnen die praktische Erfahrung fehlt – und ein rigider Arbeitsmarkt ihnen den Zutritt verwehrt. So lautet das Fazit der Experten: Ohne mehr Wachstum und Strukturreformen wird sich an der Jobmisere der jungen Südeuropäer nicht viel ändern – was auch immer die Spitzen der Politik in Berlin am Mittwoch stolz verkünden mögen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2013)

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