Nachtkritik: Frank Castorfs "Rheingold" in Bayreuth

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Mit Empörung über die Regie und Jubel für die musikalische Gestaltung reagierte das Festspielpublikum auf den Vorabend.

Dass es hoch hergehen würde, wenn Frank Castorf, der notorische Stückzertrümmerer zu Richard Wagners 200. Geburtstag den Ring des Nibelungen an dessen Uraufführungsstätte neu inszenieren würde, war vorprogrammiert. „Sein Ring" soll sich um das „Gold unserer Tage" drehen, das Erdöl, verkündete der Regisseur vorab. So spielt „Das Rheingold" nicht im Fluss und auf Bergeshöhen, sondern in einem Motel samt Tankstelle. Und da Castorf gewohnheitsmäßig keine Stücke erzählt, sondern nur mehr oder weniger amüsante Einzelbilder stellt. In der zweiten Szene gelang das insofern im Einklang mit der Handlung von Wagners Drama, als die handelnden Personen, bzw. ihre Aktionen und Interaktionen etwa denen entsprachen, die im „Rheingold"-Text vorgezeichnet sind, nur dass aus mythischen Gestalten die Figuren einer TV-Soapopera wurden.

Diese ist glänzend inszeniert und reizt zum Schmunzeln. Von der Wirkungsmacht der Flüche Alberichs, des Rings, der Gewalt der Liebes-Entsagung ist nicht das mindeste zu verspüren. Das sorgte am Ende der Premiere für heftige Missfallenstöne. Doch wurde den Sängern insgesamt applaudiert. Und der Dirigent, Bayreuth-Debütant Kirill Petrenko, erntete Ovationen.

Das hat seinen Grund. Denn er erzählt mit dem Orchester keine Vorabend-Komödie, sondern macht großes Welttheater in Klängen. dabei schattiert er die Dynamik so subtil, wie die vielfältig differenzierende Partitur es suggeriert. Instrumental ergibt das eine Summe von hochartifiziell abgestimmten Farbvaleurs, vom zarten Pastell, einem konkurrenzlos weich modellierten „Walhall"-Motiv bis zu mit der Spachtel aufgetragenen Akzenten etwa wenn die Riesen daherstapfen oder Alberich seine Flüche ausstößt.

Das lässt auf Klangwunder an den kommenden drei Abenden hoffen. Im „Rheingold" vermochten nicht alle Sänger so feinsinnig zu agieren wie das Orchester. Freilich: Wolfgang Koch ist ein ungemein prägnant artikulierender, mit lyrischer Stimme begabter neuer Wotan, Martin Winkler dessen veritables, teuflisches Gegenbild als Alberich. Norbert Ernst ein auch vokal sensationell wendiger Loge. So lässt sich schon Musiktheater machen.

Eine ausführliche Rezension finden Sie in der „Presse am Sonntag".

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