Wikileaks und NSA: Obamas Jagd auf die Aufdecker

Wikileaks Obamas Jagd Aufdecker
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Unter keinem US-Präsidenten wurden so viele Enthüller problematischer Staatsgeheimnisse verfolgt wie unter Obama.

[WASHINGTON] Von den Abgründen des Krieges im Irak über die totale Überwachung der digitalen Kommunikation durch die National Security Agency bis zu den Schikanen der US-Steuerbehörde gegen unliebsame politische Aktivisten: Zahlreiche problematische Entwicklungen der amerikanischen Regierungspolitik wären ohne die Enthüllungen von Regierungsbeamten, die damit ihre Karriere und ihre Freiheit riskierten, nicht bekannt geworden.

Hubschrauberangriff im Irak

Das Urteil der Militärstrafrichterin Denise Lind gegen Bradley Manning rückt die Gefahr, der sich solche Whistleblower aussetzen, in ein grelles Licht. Manning, ein heute 25-jähriger Gefreiter der Armee, hatte während seines Einsatzes im Irak rund 700.000 Regierungsdokumente (von diplomatischen Depeschen bis zu Videoaufnahmen von Kampfhandlungen) an die Enthüllungsplattform WikiLeaks weitergegeben. Diese Dokumente zeichneten ein desaströses Bild von der amerikanischen Kriegsführung im Irak und in Afghanistan, der es an langfristiger Planung und Lernfähigkeit zu mangeln schien. Für weltweite Empörung sorgten die Aufnahmen eines Hubschrauberangriffs auf mutmaßliche islamistische Untergrundkämpfer, bei dem zahlreiche Zivilisten, darunter zwei Kameramänner der Nachrichtenagentur Reuters, im Geschosshagel der Bordwaffe eines Apache-Helikopters starben.

Drakonisches Gesetz aus Erstem Weltkrieg

Ein Hacker, dem sich Manning anvertraut hatte, verriet ihn an die US-Behörden. Manning wurde im Mai 2010 verhaftet, eine Zeitlang in Isolationshaft gesteckt und ziemlich rüde verhört. Den Anklagevorwurf, geheime Regierungsdokumente weitergegeben zu haben, hat Manning bereits akzeptiert. Dafür drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft. Die Militärstaatsanwaltschaft hatte ihn auch noch nach dem Tatbestand der Hilfe für den Feind aus dem Espionage Act angeklagt, worauf lebenslängliches Gefängnis stand. Von der Forderung nach der Todesstrafe hatte die Staatsanwaltschaft schon vorab Abstand genommen. Heute fällt das Urteil.


Der Espionage Act stammt aus dem Jahr 1917 und sollte nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg den Verrat von Staatsgeheimnissen an den Feind bestrafen. Im Fall Mannings argumentierte die US-Regierung, dass die Veröffentlichung der Dokumente auf WikiLeaks und - in redigierter Form - in internationalen Zeitungen wie der „New York Times", dem „Guardian" und dem „Spiegel" den al-Qaida-Terroristen wertvolle Hinweise auf Taktiken und Strategie der amerikanischen Streitkräfte geliefert habe.

„Streng geheime" Zeitungsartikel

Diese Begründung alarmiert Amerikas Journalisten. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet sie schließlich, dass jeder Bericht über eine wie auch immer als „geheim" ausgezeichnete Information über Amerikas Militär Hochverrat bedeutet.

Renommierte investigative Reporter geben im Übrigen zu bedenken, dass Amerikas Diplomaten und Militärs den „Streng geheim"-Stempel auf so gut wie jedes Blatt Papier knallen, das über ihre Schreibtische wandert. David Sanger von der „New York Times" erzählte vor einigen Monaten in Washington bei einer Diskussionsveranstaltung, dass er immer wieder überrascht sei, bei Recherchen seine eigenen Berichte als „vertrauliche" Regierungsdokumente zu finden. „Man kann nicht erwarten, dass Journalisten ein Klassifizierungssystem ernst nehmen, das ihre eigenen Artikel als ,streng geheim‘ bezeichnet", sagte er.

Wie man Kritiker mundtot macht

Die Regierung von Barack Obama jedenfalls macht reichlich Gebrauch vom Espionage Act. Seit Obama im Jänner 2009 das Weiße Haus bezogen hat, sind die Behörden mit diesem Gesetz gegen sechs Whistleblower vorgegangen. Unter allen anderen amerikanischen Präsidenten seit 1917 gab es nur drei Verfahren nach dem Espionage Act.
Auch Sympathisanten Obamas wundern sich über dieses drakonische Vorgehen. Schließlich wird der Friedensnobelpreis-Träger Obama nicht müde, den Mut und die Bedeutung kritischer Medien zu loben - zumindest dann, wenn es sich um fremde Länder handelt.

Zwar hat Obama ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern unterzeichnet. In der Praxis ist es aber totes Recht. Denn am 25. Jänner dieses Jahres hat, von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt, der Direktor der nationalen Sicherheitsdienste, James Clapper, angeordnet, dass die Bundesbehörden Beamte und Angestellte entlassen können, wenn sie diese als nicht tauglich für vertrauliche Arbeiten einschätzen. Wie die Behörden festlegen, wer vertrauenswürdig ist und wer nicht, bleibt ihnen überlassen. Ein Rechtsmittel dagegen gibt es nicht: Eine Berufung ist ausgeschlossen.

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