Gastkommentar

Das Bargeld und die nächste Nebelkerze

Man könnte meinen, das Bargeld würde unmittelbar vor seiner Abschaffung stehen. Ist das so?

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will das Recht auf Bargeld in die Verfassung schreiben lassen. Ein Gipfel im September soll es richten. Zur Vorbereitung wird Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) eine Taskforce einrichten. Ziel ist es, das Bargeld verfassungsrechtlich abzusichern. Von der FPÖ kennt man diese Forderung seit Jahren – weshalb sich diese bereits über Ideendiebstahl beklagt. Jetzt also auch die ÖVP. Man könnte meinen, das Bargeld würde unmittelbar vor seiner Abschaffung stehen. Ist das so?

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Scheinbar haben wieder einmal wesentliche Spitzenrepräsentanten der Republik kollektiv verdrängt, dass Österreich seit 1995 Mitglied der Europäischen Union ist. Sie tun so, als gäbe es noch den Schilling, als könnte ­Österreich über seine Währungs­politik im Alleingang entscheiden. Doch vor mittlerweile über 20 Jahren, am 1. Jänner 2002, wurden Euro-Banknoten und -Münzen als neues europäisches Bargeld eingeführt.

Das war nicht der Anfang, sondern der Endpunkt einer Entwicklung zu einer europäischen Währungsunion. Auf der Grundlage des Berichts des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Delors hatten 1989 die Regierungschefs der Mitgliedstaaten den Eintritt in die erste Stufe einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) beschlossen. Der Maastricht-Vertrag (1992) sah die weitere stufenweise Verwirklichung der WWU mit einer einheitlichen europäischen Währung vor.

Als gäbe es noch den Schilling

Es war somit im Juni 1994 zum Zeitpunkt der österreichischen Volksabstimmung über den EU-Beitritt klar, wohin die Reise geht. Mit dem Beitritt zur Union gab Österreich seine Währungspolitik auf und beteiligte sich an der europäischen Währungsunion.

Währungsangelegenheiten sind seitdem keine Kompetenz der Mitgliedstaaten mehr. So bestimmt auch Art 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), dass der Union die ausschließliche Zuständigkeit in der Euro-Währungspolitik zukommt. Art 128 des Vertrages über die ­Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bestimmt schließlich, dass die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel innerhalb der Union gelten. Daraus ergibt sich, dass eine Geldleistungspflicht mit Euro-Bargeld erfüllt werden kann.

Wenn nun eine Regelung in der österreichischen Verfassung nur wiederholt, was die EU-Verträge ohnehin vorsehen, ist sie bedeutungslos. Nur wenn eine österreichische Regelung Uni­onsrecht widerspricht, wäre sie rechtswidrig und dürfte nicht angewandt werden. Das ergibt sich aus dem Anwendungsvorrang, einem zentralen Grundsatz des EU-Rechts, wonach im Falle eines Widerspruchs zum Recht der Mitgliedstaaten das Unionsrecht Vorrang hat.

Völlig sinnbefreite Forderung

Somit ist die Forderung, das Recht auf Bargeld in der österreichischen Verfassung zu verankern, völlig sinnbefreit. Zum einen, weil Österreich nichts anderes vorsehen könnte, was nicht bereits durch Unionsrecht bestimmt ist. Zum anderen, weil durch Art 128 AEUV das Recht zur Zahlung mit Bargeld bereits im europäischen Verfassungsrecht verankert ist.

Fazit: Kanzler Nehammer will Probleme lösen, die es nicht gibt. Staatsfinanzen, Inflation, Sicherheit, Bildung, Gesundheit, Klima: Die Liste der wirklichen Probleme in Österreich ist lang. Und so ist die Forderung nach etwas, was es längst gibt und niemand infrage stellt, nur eine weitere Nebelkerze, mit der vom Stillstand auf den politischen Großbaustellen des Landes abgelenkt werden soll.

Dr. Rainer Hable ist Rechtsanwalt und Abgeordneter zum Nationalrat a. D. (Neos).

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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