Unternehmerfamilie bezahlt Honorare für Suhrkamp-Autoren

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Der insolvente Suhrkamp-Verlag darf seinen Autoren derzeit keine Honorare zahlen. Die Familie Ströher springt ein. Doch der Rückhalt für Suhrkamp-Chefin Ulla Berkéwicz schwindet.

Es war ein raffinierter Schachzug: Die Suhrkamp-Chefin Ulla Berkéwicz, seit Jahren im Streit mit Minderheitsgesellschafter Hans Barlach, hat diesen ausgetrickst, indem sie den Verlag in die Insolvenz schickte – das Berliner Amtsgericht hat ihrem Antrag stattgegeben. So verhinderte die Unseld-Witwe, dass sie von Barlach als Geschäftsführerin abgesetzt wurde. Sollte der Insolvenzplan nämlich durch die Gläubiger akzeptiert werden, kann sie den Verlag in eine Aktiengesellschaft umwandeln – und der hat statt einer Geschäftsführung einen Vorstand und einen Aufsichtsrat. Mit ihren 69 Prozent kann sie außerdem verhindern, dass Barlach in den Aufsichtsrat kommt.

Doch sosehr die Insolvenz den Plänen von Ulla Berkéwicz zupasskommt, sie stellt sie auch vor neue Probleme: Aus rechtlichen Gründen dürfen nämlich jene Forderungen, die bis zur Antragstellung angelaufen sind, erst bezahlt werden, wenn der Insolvenzplan verabschiedet ist. Das betrifft auch die Honorare der Autoren. Die Lösung: Die Darmstädter Unternehmerfamilie Ströher springt ein.
Sobald es das Verfahren zulasse, werde das Geld zurückgezahlt, so Suhrkamp-Sprecherin Tanja Postpischil.

Dieser Schritt kommt nicht ganz unerwartet, immerhin haben die Wella-Erbin Sylvia Ströher und ihr Mann Ulrich schon im Vorfeld Interesse an einem Einstieg bei Suhrkamp gezeigt.

Ein Sieg – und plötzlich Gegenwind


Also alles in Ordnung? Ein einziger, großer Triumph für Ulla Berkéwicz? Es könnte ein Pyrrhussieg sein. Denn bislang stellten sich Autoren wie Kommentatoren mehrheitlich auf die Seite der Suhrkamp-Chefin, Minderheitsgesellschafter Barlach galt als Investor, dem es nur um die Rendite und nicht ums Haus ging, geschweige denn um die Literatur. Der Trick mit der Insolvenz hat das geändert: Sehr direkt meldet sich die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zu Wort: „Sparsamkeit und Vertragstreue sind ja nun keine obszönen Ansinnen“, nimmt sie Barlach in Schutz und regt an, die Verfassungsrichter sollten auf das reformierte Insolvenzrecht, das solche Winkelzüge ermöglicht, noch einmal einen kritischen Blick werfen: „Wenn die Unseld-Witwe sich mit ihrem Projekt Rückeroberung durchsetzt, dann ist das Abendland nicht bedroht. Man bekäme aber Zweifel am Rechtsstaat.“

Etwas subtiler argumentiert die „Welt“: „Sieg durch Niederlage. Sie verstehen? Falls nicht, der Suhrkamp-Generalbevollmächtigte Frank Kebekus kann helfen. Ziel der Insolvenz sei, erklärte er, Suhrkamp als ,tollen‘ Verlag  zu erhalten. Toll meint hier natürlich ,super‘ oder ,doppelplusgut‘ –  und nicht, wie noch zu Zeiten der Gebrüder Grimm: ,des verstandes und bewusztseins beraubt und darnach sich geberdend‘“.  best

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2013)

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