Häftlinge im Tausch gegen Siedlungsbau: In Nahost dominiert Basarmentalität.
Ein Schritt vor, zwei – oder wahlweise auch drei – Schritte zurück: Das ist der Politrhythmus, zu dem die nahöstlichen Tanzpartner seit Jahrzehnten übers holprige Parkett stolpern. Wie sollte es diesmal anders sein, unmittelbar vor dem Auftakt einer neuen Gesprächsrunde in Jerusalem und Jericho, der per se schon als Fortschritt gepriesen wird? US-Außenminister John Kerry hat sowohl Israelis wie Palästinensern in mühevoller Kleinarbeit Zugeständnisse abgerungen. Dass Israel palästinensische Häftlinge freilässt – ein emotional aufwühlendes Thema – und dass die Palästinenser ganz auf Vorbedingungen verzichten, ist allein das Verdienst Kerrys.
In einem Punkt hat die US-Diplomatie indessen fahrlässig versagt: Sie konnte Israel trotz Lippenbekenntnissen auf längere Zeit nie zu einem Siedlungsstopp im Westjordanland bewegen. Just vor Beginn der Verhandlungen verkündete Premier Benjamin Netanjahu nun den Ausbau der Siedlungen – ein striktes No-Go. Er bringt so die Palästinenser auf, beruhigt jedoch das eigene Lager. Es ist eine denkbar schlechte Ausgangsbasis für die Friedensgespräche, an die ohnehin niemand große Erwartungen knüpft. Netanjahu litt darunter sogar physisch: Er musste sich am Wochenende einer Leistenoperation unterziehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2013)