Was die Autoindustrie verschlafen hat

Autoindustrie verschlafen
Autoindustrie verschlafen(c) REUTERS (NOAH BERGER)
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Unbeeindruckt vom abgekühlten Elektro-Hype stellt Tesla die Trägheit der etablierten Autohersteller bloß: Das Model S überzeugt nicht als Gesinnungsbekenntnis, sondern als innovativer Oberklassekonkurrent.

Wir möchten sie nicht missen: äußerst kurzweilige Testfahrten in Radaubrüdern wie Lamborghini Gallardo oder Dodge Viper. Aber selten hinterließ uns ein Auto so beeindruckt, ohne dass wir den geringsten Motorenlärm produziert hätten: Vom Model S, das der winzige kalifornische Hersteller Tesla seit wenigen Monaten produziert, kann die gesamte Autoindustrie lernen. Wir fassen unsere Testfahrten, als erste Tageszeitung des Landes auf Wiens Straßen, in zehn Fragen und Antworten zusammen.

1 Tesla: Geht es mit diesem Elektro-Start-up nicht ebenso bergab wie mit vielen anderen?

Für ein Start-up hält sich die vom Internetmilliardär Elon Musk gegründete Firma schon lang auf den Beinen. Für einen Autohersteller ist Tesla mit zehn Jahren des Bestehens sehr jung. Es sieht jedenfalls nicht so aus, als würde man anderen Elektro-Start-ups folgen, die unlängst das Zeitliche gesegnet haben wie Fisker und Better Place.

2 Aber der Hype um das Elektroauto als große Zukunftshoffnung ist doch vorbei, oder?

Elon Musk hat sein Business offensichtlich nicht auf einen Hype gegründet. Teslas CEO kritisierte stets die Trägheit der etablierten Hersteller, die für neue Ansätze in der Automobilität nicht offen sind. Dazu gehört für Musk der Verzicht auf fossile Kraftstoffe. Die Analysten sind auf seiner Seite: An der Börse ist Tesla mehr wert als Fiat/Chrysler und Peugeot zusammen.

3 Heißt das, Tesla wird von den großen Motor Companies nicht mehr bloß belächelt?

GM, größter US-Autohersteller, hat eine Taskforce gegründet, die erkundet, ob Tesla dem Konzern gefährlich werden könnte. Mit Mercedes und Toyota hat Musk namhafte Technologiepartner an Bord.

4 Was ist am Model S nun anders als am Tesla Roadster?

Nicht nur, dass es sich um eine völlig andere Fahrzeugkategorie handelt – Roadster zweisitzig, Model S bis zu siebensitzig –, das neue Modell ist in Erscheinung und Anmutung eine andere Welt. Es kann sich in der Hinsicht mit Oberklassemodellen von Audi, BMW und Mercedes messen. Der Roadster (mit der Karosserie von Lotus aus England) ist nicht mehr im Programm. 2014 folgt ein Allrad-SUV.

5 Wo ordnet sich das Model S in Größe und Optik also ein?

Coupéhafte Oberklasselimousine mit fast fünf Metern Länge und opulenten drei Metern Radstand – guter Vergleich: etwa Audi A7.

6 Mit der Einschränkung, dass Audi mit Benzin oder Diesel fahren...

Der Tesla hat keinen Verbrennungsmotor, somit weder Auspuff, Kupplung, Lichtmaschine noch Kraftstofftank. Antrieb ist ein Elektromotor an der Hinterachse. Die Batterie mit wahlweise 60 oder 85kWh Kapazität steckt im Unterboden. Davon sieht man nichts: Unter der „Motorhaube“ ist nur Kofferraum, unter der Heckklappe ebenfalls, und zwar reichlich – dort können noch zwei Kindersitze installiert werden. Innenraum: luftig, ohne sperrigen Getriebetunnel.

7 Von außen sieht das noch konventionell aus, wie geht's weiter?

Das Auto fährt die Türgriffe aus, sobald man sich nähert (abstehende Griffe verschlechtern die Aerodynamik). Lenkrad und Bedienelemente stammen von Mercedes. Knöpfe gibt es keine: Das Geschehen (Navi, Hi-Fi, Klima, Panoramadach) wird intuitiv über eine Art riesiges iPad gesteuert.

8 Wie fährt sich das Model S nach dem spartanischen Roadster?

Das Model S fährt so komfortabel wie andere Oberklasse-Limos, leichtfüßig, geschmeidig – und völlig lautlos, also auch ohne Surren. Speziell Dieselautos wirken im Vergleich dazu wie aus der Steinzeit. Bald schätzt man die starke Bremsleistung durch Rekuperation. Ein Druck aufs Fahrpedal hingegen beschleunigt das Auto, dass einem schwindlig wird: Diese ansatzlose Kraft kann nur ein E-Motor entfalten. Hohes Gewicht und tiefer Schwerpunkt schaffen exzellenten Grip. Beim Beschleunigen übertrifft der Tesla Supercars, jedenfalls bis 210 km/h.

9 Knackpunkt Reichweite – was hat das Model S zu bieten?

Wir waren zwei Tage unterwegs und wären so wohl eine ganze Woche ohne Nachladen ausgekommen. Über 600 km seien möglich, 400 km sollten jederzeit drin sein. Stadtbetrieb ist vorteilhaft. Pflicht: eigene Garage mit Ladestation.

10 Welche Rolle spielt Österreich in Teslas Plänen?

Im Herbst öffnet eine große Niederlassung im Süden Wiens. Etwa 30 Roadster-Besitzer gibt es bei uns im Land, vom Model S habe man „ein Vielfaches“ an Verkäufen und Bestellungen vorliegen.

Auf einen Blick

Tesla Model S: Performance 85kWh Maße: L/B/H 4970/1964/1445 mm, Radstand 2960 mm, Gewicht 2108 kg, Ladevol.: v. 150l, h. 745–1645l

Antrieb: Dreiphasenwechselstrom, Li-Io-Batterie, 421 PS, 600 Nm

Preis: ab 96.700 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2013)

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