Das Elektroauto lugt aus der Nische

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Volkswagen wirft sich mit dem e-Up und dem Gewicht des Marktführers in das bislang zärtliche Ringen der wenigen Elektroautos.

Nein, eine so schillernde Geschichte wie BMW mit dem i3, dem Elektroauto aus Bodenhaltung mit Karbonkarosserie und organisch gegerbtem Sitzleder, hat VW mit dem e-Up nicht zu erzählen. Das Auto ist aus der Großserie und seit zwei Jahren mit Benzinmotor oder Erdgasantrieb unterwegs. Die Variante mit Elektromotor war bei der Konzeption der Baureihe allerdings von Beginn an eingeplant.

Das lässt sich schon daran ersehen, dass der Kofferraum, in den Akkus sonst gern hineinwachsen, unbeeinträchtigt ist (insofern hilfreich, als der Up-Laderaum ohnehin mehr einer größeren Ablage gleicht). Das gesamte Akku-Package ist im Unterboden des Fahrzeugs verstaut, wo es zur Absenkung des Schwerpunkts beiträgt; und wo im schmalen Motorraum sonst ein kleiner Dreizylinder werkelt, sind E-Motor und Leistungselektronik untergebracht.

Feister Schub

Im gewohnten Umgang mit dem superkompakten City-Car ändert sich also nichts, jedenfalls auf den ersten Kilometern, auf denen die naturgemäßen Einschränkungen des Elektroantriebs, Reichweite (maximal 160 km) und Höchstgeschwindigkeit (130 km/h), nicht zum Tragen kommen. In städtischen Gefilden ist man im e-Up zu den Schnelleren zu zählen. Absolut ruckfrei vom zartesten In-Bewegung-Setzen im Stop-and-go-Verkehr bis zum feisten Schub der ansatzlos einfallenden 210 Newtonmeter, die einem den Hinterkopf in die Stützen drücken, regelt das Fahrpedal (Gaspedal ist nun wirklich obsolet) alle Belange des Vorankommens in kaum gekannter Feinfühligkeit.

Dazu ist ausdrücklich auch das Bremsen zu zählen. Über den Wahlhebel des Getriebes, das praktischerweise mit einem einzigen Gang auskommt, lässt sich neben den Fahrstufen der Grad der Energierückgewinnung in drei Graden einstellen, es reicht von praktisch Freilauf bis zur vehementen Verzögerung, die das Latschen aufs Bremspedal in fast allen Situationen ersetzt. Und selbst wenn man die Bremse zart betätigt, wird zunächst nur rekuperiert, erst auf festeren Druck hin übernimmt die mechanische Bremsanlage – der Übergang zwischen diesen beiden Zuständen ist für den Fahrer nicht spürbar, was keine geringe technische Leistung darstellt.

Moralisch beschleunigen

Auch sonst haben wir es mit keinem Schnellschuss oder einer Verlegenheitslösung zu tun, so komplett und rund fühlt sich der e-Up am Steuer an. Er verleiht vielmehr, wie andere Elektroautos der jüngsten Generation, das Bewusstsein, den ratternden und stinkenden Gesellen auf unseren Straßen weit überlegen zu sein. Übrigens nicht oder nicht nur in moralischer Hinsicht: Die vehemente Beschleunigung auf kurze Distanz, der E-Motor-Charakteristik und den nur 1139 kg Gewicht geschuldet, ist im e-Up mit seinen 82 PS Spitzenleistung realitätsnäher als in üppig motorisierten Sportwagen. Denn dazu muss nicht erst Drehzahl oder Ladedruck aufgebaut werden, weiters entfällt die Hemmung, dabei Krach und sich in der Folge unbeliebt zu machen, und schließlich muss all die schöne kinetische Energie nicht vor der nächsten Ampel grob vernichtet werden, sondern darf per Rekuperation wenigstens teilweise ins System zurückfließen.

Der niedrige Schwerpunkt durch die tief unten verbaute, 230kg schwere Lithium-Ionen-Batterie verschafft sogar einen Traktionsvorteil: Auf der frisch beschneiten, noch ungeräumten Exelbergstraße spurten wir entschlossen an zaudernden Allrad-SUVs vorbei.

Einmal mehr sei erwähnt, dass Elektroautos weder Auspuff, Kupplung, Lichtmaschine noch Motoröl mit sich führen, also absehbare Vorteile bei den Unterhaltskosten bieten. Welchen Schatten die eingeschränkte Reichweite wirft? Bei einem City-Floh wie dem Up keinen großen – solange jedenfalls eine gut zugängliche Lademöglichkeit besteht, mit anderen Worten: die eigene Garage. In der schnellsten Variante ist der e-Up in 30 Minuten auf 80 Prozent Ladestand gebracht, am normalen Stecker ist er nach neun Stunden voll, dazwischen gibt es auch noch eine Variante. Für Pendler aus dem Speckgürtel ist das jedenfalls praktikabel.

Es wäre überraschend, sollte der e-Up keine Impulse setzen in einer Nische, die bislang noch unter dem Mikroskop firmiert (486 Privatzulassungen Jänner bis Oktober 2013). Alles wartet auf den Marktführer als Game Changer. Der Preis des e-Up scheint angesichts der aufgefetteten Ausstattung (LED-Tagfahrlicht, Navi, Sitzheizung) hinnehmbar – auch wenn es vermutlich nicht die Up-Klientel sein wird, die nun auf Strom umsteigt.

ZAHLEN & FAKTEN

VW e-Up.

Maße: L/B/H 3540/1910/1477 mm, Radstand 2420 mm, Kofferraum 250 bis 923 Liter, Leergewicht 1139 kg.

Motor: E-Synchronmaschine, max. 60 kW (82 PS) und 210 Nm. Verbrauch 11,7 kWh/100 km laut Norm. Lithium-Ionen-Batterie (18,7 kWh), Ein-Gang-Getriebe, Frontantrieb. 0–60 km/h in 4,9 sec, 0–100 in 12,4 sec. Vmax 130 km/h.

Preis: 25.350 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2013)

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