Trans-Debatte

Alice Schwarzer: Transsexualität „ist leider ein Massenphänomen“

Christopher-Street-Day-Demoteilnehmer am 5. August in Kassel trägt ein trägt Protestschild: „Protect Trans*Kids“
Christopher-Street-Day-Demoteilnehmer am 5. August in Kassel trägt ein trägt Protestschild: „Protect Trans*Kids“IMAGO/Mller-Stauffenberg
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Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland kann jeder Mensch Geschlecht und Vornamen selbst festlegen und einfach ändern. Heftigen Widerstand gibt es von „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer.

Radikale Feministinnen vs. vehemente Trans-Aktivist*innen: Spätestens seit „Harry Potter“-Autorin Joanne K. Rowling vor gut drei Jahren ihre Ansichten über Transgender-Personen teilte und dafür heftig kritisiert wurde, ist ein Kulturkampf zwischen diesen beiden Positionen entbrannt. Anlässlich eines neuen Gesetzes in Deutschland ist dieser neu entfacht – und Alice Schwarzer, Herausgeberin der „Emma“ und umstrittene Vorzeigefeministin, gießt im „Spiegel“ Öl ins Feuer.

Am Mittwoch wird in Deutschland das neue Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg gebracht, das das überholte und teils vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Transsexuellengesetz ersetzen soll. Jeder Mensch soll künftig sein Geschlecht (männlich/weiblich/divers) und seinen Vornamen selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern lassen. Eine Altersgrenze gibt es nicht. Unter-14-Jährige brauchen die Zustimmung ihrer Eltern, zwischen 14 und 18 Jahren kann man die Änderung auch gegen den Widerstand der Erziehungsberechtigten durchsetzen. Ändern kann man sein Geschlecht bis zu einmal im Jahr.

Schwarzer spricht sich nun in dem „Spiegel“-Interview gegen die jährliche Wechselmöglichkeit aus, und plädiert für eine Altersschranke von mindestens 18, besser 21 Jahren. Transsexualität „ist leider ein Massenphänomen und schon längst Teil der Popkultur“, meint sie. Es geben einen „modischen Trend für junge Leute, trans zu sein. Das ist schick“. Sie warnt davor, dass Jugendliche mit Hormonen behandelt und operiert werden. „In der Regel folgen einem Personenstandswechsel auch Hormonbehandlungen, ein Riesengeschäft für die Pharmaindustrie. Und wir operieren heute in Deutschland durchaus auch schon Minderjährige“, so Schwarzer.

„Es gibt nur zwei biologische Geschlechter“

„Es gibt nur zwei biologische Geschlechter“, betont Schwarzer. „Der Mensch bleibt auch nach einer sogenannten geschlechtsangleichenden Operation biologisch männlich oder weiblich. Dem Körper kann man nicht entfliehen, nur der Geschlechterrolle.“ Darum laute die Kernaussage des Feminismus auch, dass der biologische Körper nicht die kulturelle Rolle bedinge. Letztere „ist ein Konstrukt“, also gehe es darum, „dass die Geschlechterrollen dekonstruiert werden“.

Schwarzer fürchtet, dass gerade Jugendliche, anstatt Geschlechterrollen aufzubrechen, von einem Geschlecht ins andere wechseln. Man suggeriere Mädchen, die sich nicht in typische Mädchenrollen pressen lassen, dass sie sich als Mann definieren sollten: „Statt der Befreiung von der Geschlechterrolle nun das totale Gegenteil: zwei Schubladen und nichts dazwischen. Binärer geht nicht“, meint Schwarzer. Diese ideologischen Etiketten seien ein Rückschlag, „auch für echte Transsexuelle“, mit denen sie „immer schon solidarisch“ sei. Nicht dezidiert Thema in dem Gespräch sind die „non-Binary“ und „divers“ Varianten für Personen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen.

„Homosexualität scheint peinlicher zu sein als Transsexualität“

Bedenklich findet Schwarzer, dass es keine verpflichtende Beratung gebe, ehe das Geschlecht geändert werde. Man müsse vorab klären, ob es sich „um einen Fall des sehr raren Transsexualismus handelt“. Oder vielmehr um die Ablehnung des eigenen Körpers, etwa in Folge von Missbrauch. Oder um eine verdeckte Homosexualität: „Denn Homosexualität scheint in manchen Milieus heute peinlicher zu sein als Transsexualität“, so Schwarzer.

Es sind provokante Aussagen, die Schwarzer in ihrem Interview tätigt. Dass sie wegen solcher Ansichten als reaktionär gelte, störe sie nicht, so die 80-Jährige. Vielmehr habe sie in zunehmenden Alter mehr Verständnis für die Ansichten ihrer Gegner: „Die Konservativen sind zu Recht irritiert, wenn Zehnjährigen in der Schule irgendwas von non-binär, queer und trans erzählt wird“, sagt sie, und nennt das „Propaganda und Manipulation.“ Die Trans-Debatten halte sie für einen Teil einer „woken Propagandawelle“ und für einen „Angriff gegen den universellen Feminismus“.

Auch die „Emma“ macht Stimmung

Nicht nur Schwarzer selbst, auch die Zeitschrift „Emma“ bezieht Position gegen das Gesetz und warnt vor den Folgen medizinischer Behandlungen für junge Menschen: Das Magazin brachte etwa erst diese Woche ein Interview mit dem Endokrinologen und Gynäkologen Johannes Huber, der an der Wiener Uniklinik eine Trans-Ambulanz aufbaute. Die Hormonbehandlungen seien „enorme Eingriffe in den Körper. Darüber wird aber zu wenig gesprochen“, sagte dieser.

Am Dienstag veröffentlichte das Magazin außerdem einen Auszug aus einem Buch der schwedischen Journalistin und Feministin Kajsa Ekis Ekman, in dem sie unter der Frage „Wer profitiert vom Trans-Hype?“ möglichen Verstrickungen zwischen Industrie, Kliniken, Forschung und Politik nachgeht. Ekman wird – wie Schwarzer – vorgeworfen, eine TERF zu sein, eine Trans-Exclusionary Radical Feminist (Trans-ausschließende radikale Feministin). Der Kulturkampf geht also weiter. (her)

>> Das Interview im „Spiegel“

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