Comeback

Christina Stürmers „MTV Unplugged“: Und immer wieder unangenehme Stille

Bilder des Unplugged-Konzerts gibt es noch keine: Christina Stürmer auf der Bühne.
Bilder des Unplugged-Konzerts gibt es noch keine: Christina Stürmer auf der Bühne. Imago
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Wolfgang Ambros und die Sportfreunde Stiller begeisterten bei dem Konzert, das vor allem eine etwas ungelenke TV-Aufzeichnung war. Da zeigte sich, welch künstliche Dramaturgie hinter einer „authentischen“ Show stecken kann.

Teppiche, Gitarren an den Wänden, Lichterketten, eine braune Ledercouch: Wie ein Proberaum war die Bühne des Volkstheaters dekoriert, wo Christina Stürmer am Dienstagabend das erste von zwei Comeback-Konzerten nach einer längeren Pause gab. Ein passendes Ambiente für ein traditionsreiches Format: Als zweite Österreicherin, und als erste Frau überhaupt im deutschsprachigen Raum, durfte Stürmer ihr Konzert mit dem „MTV Unplugged“-Label versehen. Dieses steht traditionell nicht nur für akustische Arrangements, sondern auch für eine „authentische“ Atmosphäre.

Ausgerechnet bei Christina Stürmer, für ihre Natürlichkeit und Authentizität bekannt, zeigte sich nun, welch künstliche Dramaturgie hinter einer solchen Show stecken kann. Sie lieferte ein Konzert ab, das zwar in einiger Hinsicht – auch dank prominenter Gastauftritte – bemerkenswert war, aber in keiner Weise natürlich wirkte. Wenn man es denn Konzert nennen will: Der Abend war in erster Linie eine TV-Aufzeichnung, bei der das anwesende Publikum eher als Zeuge denn als Adressat dabei sein durfte. Die Stimmung, die bei den gefühlvoll arrangierten Nummern – einem Best Of aus Stürmers mittlerweile 20-jähriger Karriere – aufkam, wurde mit schöner Regelmäßigkeit niedergedrückt, wenn auf jedes einzelne Lied eine Pause folgte, in der – unter allgemeinem Schweigen – Instrumente getauscht, Kamerapositionen gewechselt und trockene Kehlen befeuchtet wurden.

„Das ist komisch, gö?“, sprach die Sängerin einmal in die unangenehme Stille und scherzte: „Was tut man net dafür, dass man ins Fernsehen kommt!“ Abgesehen von dem, was im Fernsehen zu hören sein soll, sagte sie ansonsten nicht viel. Immerhin: Ehrlich wirkte sie, wie sie da auf ihrer gepolsterten Transportbox saß, im lockeren schwarzen Jumpsuit, bald auch ohne Schuhe, und erklärte, dass sie eigentlich recht schüchtern sei und überdies erstaunlich nervös.

Auf Kommando schaltete sie in den Performance-Modus um. Unterstützt von ihrer Band, dazu einem Background-Chor, Klavier und Percussions, arbeitete sie sich durch ihren Song-Katalog und weckte bei vielen Zuschauerinnen und Zuschauern wohl nostalgische Gefühle.

Unplugged, aber mit E-Bass

So manches ihrer üblicherweise zwischen Rock und Schlager angelegten Lieder überzeugte dabei in neuem Stil: „Ich hör auf mein Herz“ erklang in heiterem Reggae-Rhythmus. Als Stürmer „Ich kriege nie genug vom Leben“ sang, sollte man, so die Sängerin, sich vorstellen, sie halte einen Cuba Libre in der Hand. War nicht nötig: Die schmissige Salsa-Fassung, die ein Bläser-Trio aus der Loge mit dem Instrumental-Intro von Jennifer Lopez‘ „Let‘s get loud“ einleitete, riss auch so mit. „Lebe lauter“, hieß auch das dazugehörige Album. Ein leidenschaftliches Trompetensolo und der entsprechende Jubel ließen dieses Motto erstmals an diesem Abend hörbar werden.

Da hielt es auch Stürmer nicht lange auf ihrer Box. Gab es nicht einmal ein Sitzgebot bei „MTV Unplugged“? Egal, so streng werden die einstigen Regeln offenbar nicht mehr gehandhabt: Auch der E-Bass pfiff auf die Regeln (aus dem E-Piano kamen zudem Synthie-Sounds), und Stürmer war in stehend-wippender Haltung sichtlich in ihrem Element. Da wurde auch klar, warum die 41-Jährige, die zuletzt wegen einer Babypause mehr in Supermarkt-TV-Werbespots denn auf der Bühne präsent war, seit zwanzig Jahren eine so beständige Größe im deutschsprachigen Mainstream-Pop sein kann: Ihre Lebensfreude überträgt sich, da können ihre Texte noch so unkonkrete Motivationsbinsenweisheiten à la „Lebe den Moment“ und „Hör auf deinen Traum“ aneinanderreihen.

Wolfgang Ambros: „I war scho z’frieden g’wesen“

Ansonsten rissen vor allem einige Gastauftritte das Publikum wie auch die Band aus ihrer Zurückhaltung. „I mog ihn so gern, und i glaub, er mi a“, kündigte Stürmer einen Gast ein, dessen Lieder sie schon als Kind gesungen habe. Sein Auftritt ließ den Saal kurz explodieren: Auf Wanderstecken gestützt kam Wolfgang Ambros auf die Bühne, gemeinsam sangen sie dessen „Du bist wia de Wintasun“ in einem reduzierten, zarten Arrangement, mit einem Mundharmonika-Solo von Ambros. Standing Ovations. Ambros bat, sich wieder hinzusetzen: „Es kommt glei no amol, weil nämlich die Kameramenschen immer mehr haben wollen. I war scho z’frieden g’wesen.“

Es soll Schlimmeres geben, als ein schönes Lied noch einmal zu hören. Freilich: Der Zauber des ersten Augenblicks lässt sich nicht wiederholen. Das zeigte sich auch beim (freilich nicht völlig unabsehbaren) Überraschungsauftritt der Sportfreunde Stiller: Mit dem deutschen Trio spielte Stürmer „Ein Kompliment“, das Lied, mit dem sie 2003 spektakulär das Finale der Castingshow „Starmania“ verloren hatte (was ihrem Durchbruch nicht abträglich war). „Danke, dass du uns in unserem geliebten Österreich zu Glorie verholfen hast“, sagte Sänger Peter Brugger. Die mit Klavierbegleitung etwas beruhigte Fassung durfte das Publikum nach dem Schlussapplaus gleich noch zweimal hören. „Wegen Kamerafehlern“, hieß es, doch auch im Zusammenspiel konnten die Musiker die Extra-Durchgänge brauchen. Probten sie halt vor Publikum: In dieser Hinsicht erfüllte sich die Illusion, die das Unplugged-Setting und Proberaum-Interieur erweckt hatten.

Im November auf ORF 1

Andere Gäste waren Schauspielerin Ursula Strauss, die bei Kindern beliebte Rap-Combo Deine Freunde (in deren „Keine Märchen“ übte sich Stürmer auch bravourös als Party-Rapperin) und die österreichische Sängerin Mathea: Mit schiefen Harmonien versemmelten diese und Stürmer ihr bestes, melodisch mitreißendstes Lied „Scherbenmeer“. Gut, dass am Mittwoch noch eine weitere „Probe“ vor Publikum angesetzt wurde. In der Postproduktion wird aus all diesen musikalisch und stimmungsmäßig wackeligen Dreharbeiten vielleicht noch so etwas wie ein Konzert: Im November soll es im ORF zu sehen sein.

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