Uni-Professor Sepp Hochreiter über die Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz und ein eigenes System, das Chat GPT um Längen schlägt.
Die Presse: Sie forschen seit den 1990er-Jahren an der Funktionsweise sogenannter „dynamischer neuronaler Netze“ und gelten als Pionier moderner KI-Systeme. Ohne Sie gäbe es heute kein Alexa, kein Siri und erst recht kein Chat GPT.
Sepp Hochreiter: Das ist jetzt beinahe 30 Jahre her. Als ich in meiner Doktorarbeit über Long-Short-Term-Memory geschrieben habe, was ich ja erfunden habe, hätte ich nie damit gerechnet, dass das so einen Weg gehen würde. Ich wollte erreichen, dass Systeme einen langen Kurzzeitspeicher haben, wodurch das System auch nach fünf, zehn oder 20 Wörtern noch weiß, was vorher war. Und das ist mir gelungen. Patent habe ich aber trotzdem keines dafür.
Hat Sie der Erfolg von Chat GPT überrascht?
Nein. Ich wusste ja schon einige Jahre vorher, dass da etwas im Hintergrund passiert. Die drei Gründer von Open AI haben mich bei einer Konferenz aus einer Warteschlange gezogen und mir davon erzählt. Andrej Karpathy und Wojciech Zaremba haben da schon seit Jahren an Spielen gearbeitet und auch an Robotern. Aber gerade Letztere haben nie geklappt. Aber Chat GPT war anders, und ich war beeindruckt, was da alles möglich war. Bevor das Programm verfügbar war, habe ich es an der Johannes Kepler Universität in Linz in meinen Vorlesungen gezeigt.
Ist man dann stolz, dass dieser Erfolg ohne die eigene Arbeit gar nicht möglich gewesen wäre?
Ja, schon. Aber auch ein bisschen enttäuscht. Denn ich habe bereits längst ein System hier, das in der Lage wäre, Chat GPT vom Markt zu fegen. Intern nenne ich es ja schon „Das Empire schlägt zurück“. Es ist eine Kombination aus meiner LSTM-Forschung und jener von Chat GPT, denn die drei Buchstaben stehen ja für „Generative Pre-trained Transformer“. Bei kleinen Datensätzen schlagen wir die bestehenden Systeme um Längen. Aber es fehlen Geld und Ressourcen, um damit durchzustarten.