Deutschland

Ampel-Fassade bröckelt: Warten auf den Wumms

Im Schloss Meseberg beginnt am Dienstag eine zweitägige Klausur der deutschen Regierung.
Im Schloss Meseberg beginnt am Dienstag eine zweitägige Klausur der deutschen Regierung.Imago / Christian Ender
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Auf einer Klausur will die Regierung der schwächelnden Wirtschaft helfen. Dafür musste sie erst einen Erpressungsversuch abwehren. Schon droht der nächste Streit – diesmal aus der Ecke der Sozialdemokraten.

Das Ritual ist bekannt: Die deutsche Regierung zieht sich für zwei Tage auf das Schloss Meseberg rund eine Autostunde nördlich von Berlin zurück. Am Ende tritt sie gemeinsam vor die Kameras, betont wie gut alles funktioniere – und verkündet einen neuen Schwerpunkt. Letztes Mal ging es um den Umbau des Energiesystems, diesmal soll sich alles um Industrie und Wirtschaft drehen, soviel hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) erkennen lassen. Beide schwächeln und waren die Sorgenkinder des Sommers.

Dass es hinter der Fassade der Regierungsharmonie ruckelt, ist ein offenes Geheimnis. Zum Beispiel die Posse um Lisa Paus: Die grüne Familienministerin hatte vor zwei Wochen einfach auf stur geschalten. In letzter Sekunde blockierte sie ein Gesetz, mit dem Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine Steuererleichterung von 6,5 Milliarden Euro für deutsche Unternehmen auf den Weg bringen wollte. Das Ministerkabinett muss einstimmig beschließen, aber Paus weigerte sich. Sie wollte über ihr eigenes Baby reden, das „Kindergrundsicherungsgesetz“. Die Grüne hätte dafür gerne zwölf Milliarden Euro gehabt, sie bekam nur zwei.

Hält die Schuldenbremse?

Am Montagvormittag traten Lindner und Paus vor die Kameras. Die Kindergrundsicherung kommt: 400 Millionen Euro mehr macht der Finanzminister frei. Also 9,6 Milliarden Euro weniger, als Paus von ihm gefordert hatte. Ob die Regierung im Gegenzug nun auf Schloss Meseberg die Steuererleichterungen des Finanzministers beschließen werde? „Das kann nur Frau Paus beantworten“, sagte Lindner, bevor er sich der Grünen zuwandte: „Ohne Dich wäre es beim letzten Mal schon durchgegangen.“

Es ist einer der Momente in denen die Fassade vor den Kameras kleine Risse bekommt. Der Streit zwischen Paus und Lindner ist ein Sinnbild für ein tiefer liegendes Problem: Es geht darum, wie viel Geld die deutsche Regierung für alle ihre Versprechen ausgeben kann. Als im vergangenen Herbst rund 200 Milliarden Euro an Energiehilfen versprochen wurden, nannte der Kanzler das einen „Doppel-Wumms“. Nun soll die Schuldenbremse wieder angezogen werden.

Dafür sprechen sich Scholz, der grüne Vizekanzler Robert Habeck und Lindner aus. In den linken Flügeln der Grünen und Sozialdemokraten regt sich aber Unmut über den Spareifer. So kopierten die SPD-Parlamentarier vor dem Wochenende einen Vorschlag Habecks, der deutschen Industrie mit Steuergeld für Jahre einen Teil der Stromrechnung zu zahlen. Das würde viele Milliarden kosten, die Schuldenbremse wäre kaum haltbar. Am Montag kam ein weiterer Vorstoß dazu, mit dem die SPD-Parlamentsfraktion vor allem den Koalitionspartner FDP angreift: Sie fordert eine Mietenbremse.

Persönliche Angriffe auf den eigenen Kanzler sind aus der SPD nicht zu vernehmen. Aber der ehemalige Finanzminister Scholz gilt nach der Parteilogik eher als Konservativer, gar Rechter. Er verteidigte die deutsche Schuldenbremse bisher, auch wenn er öffentlich gerne Finanzminister Lindner den Sparstift in die Hand drückt.

Mehr Entlastung angedeutet

Für die zweitägige Klausur in Schloss Meseberg wird jedenfalls ein Entlastungspaket erwartet. Die bisher bekannten 6,5 Milliarden Euro aus Lindners „Wachstumschancengesetz“ wirken wenig gegen die hunderten Milliarden an Steuerleichterungen mit denen die US-Regierung die Unternehmen im Land stützt und andere anlockt.

Am Montag deutete der deutsche Finanzminister an, die Summe könnte größer werden als gedacht. Er habe die Verzögerung wegen der Blockade seiner Kollegin Paus genutzt, um sein eigenes Vorhaben auszubauen. Was konkret er damit meinte, ließ er genauso offen wie die Frage, ob die Regierung auf Schloss Meseberg über einen subventionierten Strompreis für die Industrie reden werde.

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