Konjunktur

Warum Österreichs Wirtschaft jetzt schrumpft

Die lange Phase der Hochkonjunktur ist erst einmal vorbei.
Die lange Phase der Hochkonjunktur ist erst einmal vorbei. Die Presse / Clemens Fabry
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Nach einer fulminanten Erholung nach der Coronakrise geht es abwärts für Österreichs Industrie. Als Folge sinkt die Wirtschaftsleistung – und das stärker als erwartet.

Nun ist es offiziell: Österreichs Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2023 geschrumpft, sogar stärker als erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist real, also bereinigt um die Inflation, um 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Das teilte die Statistik Austria am Freitag mit. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hatte ein Minus von 0,3 Prozent erwartet.

Es war das erste Mal seit acht Quartalen, dass Österreichs Wirtschaft „schwächelt und schrumpft“: Als Gründe nannte Statistik-Austria-Direktor Tobias Thomas vor allem die rückläufige Wirtschaftsleistung von Handel und Industrie. Die gute Nachricht: Österreichs Wirtschaft liegt immer noch um 3,2 Prozent über dem Niveau von vor der Coronakrise. Anders als die deutsche befindet sich die österreichische Volkswirtschaft außerdem noch nicht in einer Rezession. Davon spricht man, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge zurückgeht.

Die Industrie

Nach dem ersten Jahr der Coronakrise, 2020, erlebten Industrie und Bau in Österreich eine „lange Phase der Hochkonjunktur mit teils spektakulären Wachstumsraten“, sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Thomas am Freitag anlässlich der Präsentation der Zahlen. Aber im Jahresverlauf 2022 bremste sich die Industrie langsam ein, 2023 rutschte sie ins Minus: „Seit März hat die Industrie mit zurückgehenden Umsätzen zu kämpfen“, sagt Thomas. Im Juli sackten die Umsätze gar um durchschnittlich 11,4 Prozent ab. Allerdings handle es sich dank der Hochkonjunktur, die über zwei Jahre angehalten hat, aktuell um eine „Einbremsung der Konjunktur auf sehr hohem Niveau“. Denn in Summe liege der produzierende Bereich, also Industrie und Bau, immer noch um 24 Prozent über dem Juli 2019, also dem Niveau vor der Pandemie.

Die Presse / PW

Das Umfeld

Bedingt durch die Rezession in der Industrie sowie Einbußen in der Bauwirtschaft stagnierte Österreichs Wirtschaft bereits seit dem dritten Quartal. Einerseits hatte sich das internationale Umfeld eingetrübt, dazu kamen die hohen Preissteigerungen bei Energie und Vorprodukten. Vor allem die energieintensive Industrie spürt das. „Der Anstieg der Energiepreise traf in der EU vor allem die wichtigsten Handelspartner Österreichs“, heißt es in einer Wifo-Analyse. Industrierohstoffe verteuerten sich stark, es gelang den Unternehmen nur bedingt, die Preise weiterzugeben. Die Einschätzung der Industrieunternehmen zu ihrer Wettbewerbsposition verschlechtere sich weiter, ergab kürzlich der Wifo-Konjunkturtest auf Basis von Befragungen.

Die Teuerung

Bei der Inflation zeigt sich ein sinkender Trend. Mit einem Ausreißer im August: Da kletterte die Teuerung in Österreich wie berichtet auf 7,5 Prozent. Im Juli hatte sie sieben Prozent betragen. Der Grund waren die Spritpreise, die nicht mehr so stark gesunken sind. Im Verlauf des Jahres 2022 war die Inflation kontinuierlich gestiegen, bis sie im Jänner 2023 einen Höchstwert von 11,2 Prozent erreichte. Zunächst hatten Energiepreiserhöhungen die Inflation befeuert. Ihr Einfluss nahm aber sukzessive ab, während anhaltende Preiserhöhungen bei Dienstleistungen immer bedeutender für die Inflation werden. „Nun stellt sich die Frage, ob der rückläufige Trend der Inflationsrate sich fortsetzt“, sagt Ingolf Böttcher, Leiter der Direktion Volkswirtschaft in der Statistik Austria.

Zu Jahresbeginn waren vor allem Wohnen, Wasser und Energie für die Teuerung verantwortlich. Nun zieht die Teuerung immer weitere Kreise. „Die Inflation breitet sich aus“, sagt Böttcher. Es gebe mittlerweile kaum noch eine Warengruppe, in der die Teuerung unter fünf Prozent liege.

Im Euroraum hatte die Inflation im Juli lediglich 5,3 Prozent betragen, in Österreich sieben – also fast zwei Prozentpunkte mehr. Der Unterschied erklärt sich laut Böttcher vor allem durch die Preisentwicklung von Haushaltsenergie. Diese nimmt in vielen westeuropäischen Ländern mittlerweile stärker ab als in Österreich. Rechne man Haushaltsenergie und Miete heraus, liege die Inflation Österreichs im EU-Durchschnitt. Der Grund ist, dass die Energieverträge in Österreich traditionell lange Laufzeiten haben und Großhandelspreise daher langsamer bei den Kunden ankommen als andernorts.

Der Arbeitsmarkt

Die eingetrübte Konjunktur zeigt sich auch auf dem österreichischen Arbeitsmarkt: 320.759 Menschen waren Ende August beim Arbeitsmarktservice (AMS) vorgemerkt, davon 59.461 in einer Schulung. Das waren um 3,7 Prozent mehr Arbeitslose als vor einem Jahr. Die Arbeitslosigkeit stieg in allen Bundesländern außer Tirol, wo sie um 4,2 Prozent rückläufig war. Nach Branchen betrachtet gab es die stärksten Zuwächse auf dem Bau mit knapp sieben Prozent. Die Arbeitslosenquote stieg leicht auf 6,1 Prozent.

Auf einen Blick

Österreichischs Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im zweiten Quartal 2023 real um 1,1 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal 2022 und um 0,7 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2023. Damit war Österreichs Wirtschaft zum ersten Mal seit acht Quartalen rückläufig. Die Wirtschaftsleistung liegt aber immer noch um 3,2 Prozent über dem Vor-Corona-Niveau.

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