Großbritanniens Außenminister macht die syrische Regierung für einen mutmaßlichen Giftgasangriff am Mittwoch verantwortlich. Die UN-Inspektoren waren derweil zur Untätigkeit verurteilt.
So deutlich wie kein westlicher Politiker zuvor hat sich am Freitag der britische Außenminister William Hague zu dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien vom Mittwoch geäußert: "Ich weiß, dass manche Menschen gerne sagen würden, es handelt sich um eine Art Verschwörung der syrischen Opposition. Ich glaube aber, dass die Chancen dafür verschwindend gering sind, und daher glauben wir, dass es sich um einen chemischen Angriff des Assad-Regimes handelt", sagte Hague.
Es habe den Anschein, dass das Regime etwas zu verbergen habe, meinte der Außenminister weiter. Sollte es den seit einigen Tagen im Land anwesenden UN-Inspektoren nicht möglich sein, binnen Tagen den Ort des Angriffs zu untersuchen, würde London versuchen, im UN-Sicherheitsrat ein stärkeres Mandat für die C-Waffen-Experten zu erwirken. Je mehr Tage verstrichen, desto schlechter werde das Beweismaterial, oder es werde gar beiseite geschafft, fürchtet Hague.
--> Hintergrund: Welche Optionen die USA haben
So weit sich London vorwagte, so defensiv äußerte sich einmal mehr US-Präsident Barack Obama, der offenkundig versucht, die USA aus dem syrischen Bürgerkrieg herauszuhalten. Er habe es nicht eilig, die USA in einen weiteren, kostspieligen Krieg zu verwickeln, meinte Obama am Freitag. Man müsse strategisch überlegen, was langfristig im US-Interesse sei.
Auch Moskau fordert UN-Untersuchung
Zwei Tage nach dem Angriff nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus übte nun sogar Russland Druck auf das verbündete syrische Regime aus: Moskau forderte, die Regierung in Damaskus solle den UN-Inspektoren erlauben, den mysteriösen Angriff vom Mittwoch zu untersuchen. Dies erklärte das russische Außenministerium am Freitag, nachdem Minister Sergej Lawrow am Vortag mit seinem US-Kollegen John Kerry telefoniert hatte. Bei dem Angriff kamen nach unterschiedlichen Angaben zwischen 500 und 1300 Menschen ums Leben.
Man sei übereingekommen, dass eine objektive Überprüfung des Vorfalls nötig sei. Dazu müssten auch die Gegner von Syriens Staatschef Baschar al-Assad den UN-Inspektoren einen sicheren Zugang garantieren, so das russische Außenministerium. Wenig später beschuldigte Moskau die Rebellen, genau das nicht zu tun und "direkt zu verhindern", dass die UN-Experten den Ort untersuchen könnten.
Die syrische Opposition wirft der Armee vor, bei einem Angriff auf eine Hochburg der Rebellen am Mittwoch Giftgas eingesetzt zu haben. Die Regierung bestreitet dies vehement und wirft seinerseits den Rebellen vor, Chemiewaffen eingesetzt zu haben.
Bisher konnte sich Assad auf Moskau verlassen
Diese Haltung wurde bisher von Moskau geteilt, das in einer ersten Reaktion sogar von einer "kalkulierten Provokation" gesprochen hatte. Russland ist Syriens mächtigster internationaler Verbündeter seit Beginn des Konfliktes vor zwei Jahren. Im UN-Sicherheitsrat haben Russland und China mit ihren Vetos bislang alle Initiativen des Westens gestoppt, Strafen gegen Assad zu verhängen.
Zahlreiche westliche Staaten, die Türkei und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordern seit drei Tagen, dass Diktator Bashar al-Assad den Inspektoren unverzüglich Zugang zu den betroffenen Gebieten gewährt. Je früher die Inspektoren den Vorfall untersuchen können, desto aussagekräftiger ist das Beweismaterial. Damaskus hat sich bisher auf die Position versteift, dass die Inspektoren nur jene drei Orte untersuchen dürfen, die in einer Vereinbarung mit der UNO aufgeführt sind. Die Angriffe dort liegen allerdings schon Monate zurück.
Aktivisten wollen Beweise der UNO übergeben
Syrische Aktivisten haben derweil bekanntgegeben, dass sie Proben in Zusammenhang mit dem angeblichen Giftgasangriff den UN-Inspektoren übergeben wollen. Die Inspektoren halten sich nur ein paar Kilometer entfernt von dem Ort in einem Hotel auf. "Das UN-Team hat mit uns gesprochen und wir haben einige Proben, bestehend aus Haaren, Haut und Blut vorbereitet und sie nach Damaskus geschmuggelt", erklärte ein Aktivist. Das Problem sei allerdings, dass die UN-Inspektoren unter strenger Bewachung stünden.
Diese saßen derweil ohnehin in ihrem Luxushotel in Damaskus fest: Wie die UNO erklärte, könnten die Chemiewaffenexperten derzeit nicht einmal ihr beschränktes Mandat erfüllen, wegen der schlechten Sicherheitslage in der Umgebung von Damaskus.
(Reuters/red.)