Das TV-Duell gegen Merkel war vielleicht die letzte Chance für Herausforderer Steinbrück, um die Stimmung zu drehen. Doch die Themen des Wahlkampfs taugen nicht zur scharfen Attacke.
Berlin. Es war seine letzte Chance – und Peer Steinbrück wollte sie nutzen: Am Sonntagabend trafen Angela Merkel und ihr SPD-Herausforderer zu ihrem einzigen TV-Duell (mehr dazu hier) im deutschen Wahlkampf aufeinander. Die Themen, über die nicht nur an diesem Abend gestritten werden, stehen schon fest. Manches daran ist aus österreichischer Perspektive erklärungsbedürftig. Eine Auswahl:
• Syrien. Keine deutsche Beteiligung an einer Irak-Invasion: Mit dieser Parole gewann Gerhard Schröder 2002 die Wahl gegen Edmund Stoiber. 13 Jahre später startet die SPD gar nicht erst den Versuch, den bevorstehenden Militärschlag gegen Syrien in einen Wahlkampfschlager zu verwandeln. Irak und Syrien sind kaum zu vergleichen. Vor allem aber ist die Stimmungslage so eindeutig, dass alle Ähnliches wollen: keine deutsche Beteiligung, aber Gesten der Unterstützung, um das Gesicht zu wahren.
Die Regierung muss eine Blamage wie vor zwei Jahren vermeiden. 2011 enthielt sich Deutschland im UN-Sicherheitsrat bei der Libyen-Resolution der Stimme, brüskierte damit die Partner und fand sich mit Russland und China im Eck der Blockierer wieder. Isolieren will sich auch die SPD nicht. So blieb es bei der Forderung, Merkel solle zu Putin reisen, um ihn zum Einlenken im Sicherheitsrat zu bewegen. Merkel telefonierte, erwartbar erfolglos, mit dem russischen Präsidenten – und nahm der Opposition den schwachen Wind aus den Segeln.
• Griechenland. Fast hätte es Merkel geschafft, das heikle Thema Eurokrise aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Doch dann rutschte Finanzminister Schäuble heraus, dass Griechenland noch einmal ein Hilfspaket brauchen wird. Diese offenkundige Tatsache hätte Merkel gern verschwiegen.
Die SPD nutzte die Vorlage: Die Kanzlerin gebe nicht zu, wie viel die Vergemeinschaftung der Schulden koste. Viel mehr ist aber nicht drin, denn für Hilfen an die Euro-Krisenstaaten ist auch Steinbrück. Die Differenzen liegen im Detail: Die Bankenunion soll schneller kommen, das „Spardiktat“ will die SPD lockern, dafür aber Initiativen für mehr Wachstum und Jobs für Jugendliche einfordern. Aus Sicht der Steuerzahler heißt das: Im Zweifel wird die Euro-Rettung mit einem Kanzler Steinbrück noch teurer.
• Mindestlohn. Was will Steinbrück als Kanzler als Allererstes ändern? Einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde einführen. In Österreich ist das Thema unbekannt. Aus einem einfachen Grund: In jeder Branche setzen die Tarifpartner per Kollektivvertrag selbst ihre Mindestlöhne fest. Ein Eingriff der Politik ist nicht nötig.
In Deutschland aber bröckelt die Tarifbindung. Wo Vereinbarungen fehlen, ist Missbrauch möglich. Die Regierung will die Sozialpartner dazu bringen, die Lücken mit „Lohnuntergrenzen“ zu schließen, angepasst an Branche und Region. Die linke Opposition bemüht den Staat, der einen einheitlichen Mindestlohn diktieren soll. Davor warnen viele Ökonomen: Entweder ist der Lohn zu niedrig angesetzt, dann bewirkt er nichts; oder er ist zu hoch, dann kostet er Arbeitsplätze – und führt zu weniger statt mehr sozialer Gerechtigkeit.
• Höhere Steuern. Die Reichen sollen mehr Steuern zahlen: Diese simple Forderung eint deutsche und österreichische Sozialdemokraten. Während sich aber die Diskussion hierzulande auf eine Vermögensteuer fokussiert, haben die Genossen in Deutschland noch ganz andere Pläne im Köcher: Der Spitzensteuersatz soll von 42 auf 49 Prozent steigen, die (hier weiter existierende) Erbschaftssteuer soll künftig mehr einbringen. Zudem will die SPD die Kapitalertragsteuer von 25 auf 32 Prozent erhöhen – zumindest das kann alle treffen, nicht nur die „Reichen“. Immerhin sagt Steinbrück, wie er die Mehreinnahmen verwenden will – angeblich auch zum Abbau der Schulden.
Auf einen Blick
TV-Duell. In Berlin findet am Sonntagabend das einzige direkte Aufeinandertreffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) statt. Es geht dabei auch um die Konkurrenz der vier TV-Moderatoren Anne Will (ARD), Maybrit Illner (ZDF), Peter Kloeppel (RTL) und Stefan Raab (Pro7/Sat1). Die „Süddeutsche Zeitung“ fühlte sich „ein wenig an das DDR-Staatsfernsehen erinnert“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2013)