Nach britischer Art: Weinviertler Gin

Nach britischer Art: Weinviertler Gin
Nach britischer Art: Weinviertler GinBeigestellt
  • Drucken

Man nehme: zwei Exgastronomen, 22 Gewürze, Gemüsetransparenz und eine Terrasse. Das Ergebnis: Weinviertler Gin.

Du bist schon recht ölig, Mädel, gell“, sagt Felix Strasser zu der klaren Flüssigkeit, die auf seiner Terrasse neben Feigenbaum, Rosenstrauch und Griller in ein Ein-Liter-Einmachglas tröpfelt. Das „Mädel“ ist unfertiger Gin, der in diesem Zustand – frisch aus der kupfernen Haushaltsbrennblase – noch mehr als die gewünschten 43 Prozent hat. Zwei Aussteigergastronomen, Sven und Felix Strasser, die bis vor ein paar Monaten erfolgreich das Lokal „Ein Wiener Salon“ betrieben haben, produzieren auf ihrer idyllischen Weinviertler Terrasse nun unter anderem den Gin „Ginie in the bottle“. In Kleinstmengen, als Mikromikrodestillerie. Wenn gebrannt wird, dann sechs Liter am Tag, in mehreren Chargen. Am Ende eines Brenntages werden die Gins der einzelnen Durchgänge vermischt und erst dann in Flaschen abgefüllt.

Heimwerker-Gin. Die kleine Brennblase, die zwei Liter fasst, sei nicht genehmigungspflichtig, sagt Felix Strasser. Man mache auf dem Strassergut in Zistersdorf nur ein Aromadestillat mit schon fertigem und versteuertem Alkohol, alles andere sei zu mühsam. „Sonst bekommt man einen Brenntag zugewiesen, Hausnummer Dienstag, an dem kommen’s dich kontrollieren.“ Wenn man weiß, was zu tun ist, scheint die Gin-Produktion zuhause kein Ding der Unmöglichkeit: Es braucht eine kleine Destille, die mit einem schlichten Campingkocher befeuert wird, Getreidebrand und Gewürze, üblicherweise Botanicals genannt. Und im Fall der Strassers, die es wie die Briten machen, ist noch eine Aufschnittmaschine und Gemüse vonnöten. Aber dazu später. Sven Strasser, der im „Wiener Salon“ als Autodidakt in der Küche gestanden ist, verrät nicht alle Botanicals für seinen Gin, aber doch einige: Neben – klar – Wacholder enthält die Zusammenstellung etwa Sternanis, Grapefruitschalen, Macisblüten, Lorbeerblätter und Nelken. Seit den Gin-Anfängen vor einem Jahr seien noch Kaffeebohnen, Earl Grey und Pfeffer dazugekommen – „jetzt steht die Mischung“.

Von verschiedenen Zitrusfrüchten wird die Schale abgehobelt und mit den Gewürzen im Mörser zerstoßen. Dann wird die Gewürzmischung im Unterteil der kupfernen Brennblase platziert, in einem normalen metallenen Dämpfeinsatz über der Oberfläche von 38-prozentigem Getreidebrand. Die Gewürze berühren also den Alkohol nicht, die Aromastoffe gehen nur mit dem Alkoholdampf mit. Die Brennblase wird verschlossen, jetzt sieht sie aus wie eine kupferne Tajine. Ein Campingbrenner wird darunter platziert, er erhitzt alles auf etwa 80 Grad. Der Dampf steigt auf in die Spitze der „Tajine“, nimmt dabei die ätherischen Öle der Botanicals mit, fließt von dort durch ein dünnes Rohr abwärts in eine Kupferspirale, die mittels Wasserbad gekühlt wird. Dort kondensiert der nun aromenreiche Dampf. „Von flüssigem Aggregatzustand in Dampf – dann wieder flüssig“, fasst Sven Strasser den Vorgang zusammen. Der freilich so simpel nicht ist, vor allem nicht, was die Aromakurve angeht.

Bier an Brenntagen. Die ätherischen Öle lösen sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten des etwa einstündigen Brennvorgangs. „Manchmal glaubt man, Mist, man hat zu viel Sternanis oder Zimt genommen, aber dann kommen nach und nach die anderen Aromen.“ Während des Tröpfelvorgangs wird immer wieder gekostet, in der Mitte tauchen deutlich Zitrusnoten auf, am Schluss der Geschmack von Kaffee und Tee. „Der Wacholder kommt witzigerweise gleichmäßig mit“, sagt Sven Strasser. Felix Strasser gesteht indes, an Brenntagen immer Bier zu trinken, „auf nüchternen Magen packt man das Kosten vom Tropfhahn nicht, auch wenn’s in Summe nur ein Fingerhut ist“. Anfangs ist der Alkoholgehalt schließlich noch ziemlich hoch, am Ende beträgt er nur mehr ein paar Volumsprozent. Gegen Ende des Brennens kommen immer mehr Bitterstoffe mit, auch deshalb wird der letzte Viertelliter nicht verwendet.

Für den Clou des Strassergut-Gins – „in England gibt’s einige, die das so machen“ – braucht es nun eine Aufschnittmaschine, Gurken und einen Faltenfilter aus Papier, den man im Weinbauhandel bekommt. Felix Strasser schneidet die Gurke in hauchdünne Scheiben – den Kernteil bekommen die Hühner hinterm Haus oder Spanieldame Laura – und legt sie fächerförmig auf dem flachen Papierfilter aus. „Ein Wunderwerk der Natur“, sagt er und hält eine Gurkenscheibe gegen das Licht. Sven Strasser, ursprünglich Modedesigner, kommentiert den nun zu einem Trichter gefalteten Papier-Gurken-Filter: „Das hat schon was Couturiges, Galliano für Dior.“ Durch die Gurkenscheiben wird der Gin nun in eine weite Flasche gegossen. Und nimmt dabei Gurkenaromen auf.
Die folgerichtige Kombination für ihren gurkenfiltrierten Gin planen die Strassers schon in Gedanken: eigenes Tonic. „Vielleicht unser nächstes Projekt.“

TIPP

Gurken-Gin. Neben dem „Ginie in the bottle“ sind direkt auf dem Strassergut oder im Online-Shop auch Marmeladen oder sauer Eingelegtes zu haben.http://strassergut.com/

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.