Reformen: Fünf Jahre dauerten die Aufräumarbeiten. Stärkere Anreize für längeres Arbeiten sind nötig.
Wien. Die beiden Koalitionsparteien, allen voran die SPÖ, wollten sich im Nationalratswahlkampf an den Pensionen nicht die Finger verbrennen. Eine neue Regierung wird dennoch nicht die Hände in den Schoß legen können. Denn die Mittel, die der Staat aus dem Bundesbudget in absoluten Zahlen zuschießen muss, steigen noch immer, die Zahl der Pensionsbezieher wächst und dank steigender Lebenserwartung verlängert sich der Zeitraum, in dem die Menschen in Österreich den Ruhestand genießen können und ihre Pension ausbezahlt erhalten.
Zur Bewältigung der Finanzierung wird deswegen eine künftige Bundesregierung die Kostenbremse bei den Pensionen weiterhin anziehen müssen. Allein für die gesetzliche Pensionsversicherung werden aus dem Staatshaushalt knapp zehn Milliarden Euro beigesteuert (teilweise auch für Leistungen, die etwa die Krankenversicherung tragen müsste, die inzwischen in den schwarzen Zahlen ist). Mit allen Kosten für Beamtenpensionen sind es rund 18Milliarden Euro.
Auf der Habenseite kann die jetzige Bundesregierung vor allem die Umstellung auf ein Pensionskonto, das ab 2014 mehr Transparenz bringt, verbuchen. Damit ist ein wesentlicher Schritt in Richtung der Vereinheitlichung der Pensionen und auch zu mehr Beitragsgerechtigkeit erfolgt.
In die verkehrte Richtung
In der zu Ende gehenden Legislaturperiode waren SPÖ und ÖVP vor allem mit Aufräumarbeiten beschäftigt: Zuerst mussten die selbst angerichteten finanziellen Folgen einigermaßen in den Griff bekommen werden. Ursache waren die wenige Tage vor der Nationalratswahl 2008 gewährten Vergünstigungen und die Ausweitung der Hacklerfrühpensionen. Statt bereits damals beim Zustrom auf die Frühpensionen gegenzusteuern, wurden dafür fünf Jahre vertan. Reformmaßnahmen, die inzwischen beschlossen wurden, hätten deutlich früher umgesetzt werden können und müssen. Erst ab 2014 kommen weitreichendere Einschränkungen bei der Hacklerpension und bei den Invaliditätspensionen zum Tragen.
Allerdings werden auch diese Eingriffe nicht ausreichen, um den von der SPÖ-ÖVP-Regierung rasch angestrebten späteren Antritt des Ruhestands – und den dadurch erwarteten Spareffekt bei den Pensionen – zu gewährleisten. Bis 2020 sollen die Österreicher bis zu vier Jahre später in Pension gehen, das wäre dann mit rund 62 Jahren statt derzeit im Schnitt mit 58,2 Jahren. Bisher betrug die Steigerung des tatsächlichen Antrittsalters allerdings im Schnitt nur einen Monat. Spätestens im Jahr 2015/16 muss überprüft werden, was die nunmehrigen Maßnahmen tatsächlich bringen und welche Nachjustierungen vorgenommen werden müssen, um das tatsächliche Pensionsantrittsalter anzuheben.
Begleitmaßnahmen sind ausständig
Denn eine bloße Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters allein hätte vermutlich lediglich den Effekt, dass Betroffene zwar nicht in den Ruhestand gehen können, aber dafür höhere Kosten in anderen Sozialkassen verursachen. Die Ausgaben für die soziale Grundleistung, die Mindestsicherung, würden voraussichtlich steigen. Teilweise erfolgt schon jetzt eine Verlagerung der Sozialkosten, weil viele ältere Berufstätige zuerst ihren Job verlieren und von der Arbeitslosenversicherung in die Pension wechseln.
Vor allem zwei Begleitmaßnahmen sind in Österreich ausständig. Erstens müsste es ein verstärktes finanzielles Anreizsystem mit höheren Zuschlägen für längeres Arbeiten geben. Derzeit ist es vielfach unattraktiv, länger im Beruf zu bleiben, weil das die Pension nur wenig erhöht. Andere Länder, wie etwa Schweden (siehe Bericht unten), zeigen dies mit einem wesentlich flexibleren Modell des Pensionsantritts mit höheren Abschlägen bei Frühpensionen und Zuschlägen bei weiterer Berufsausübung vor.
Zweitens ist es ähnlich wie in Skandinavien notwendig, darauf zu achten, dass Arbeitnehmer künftig auch länger möglichst gesund im Beruf bleiben. Das ist eine Voraussetzung, um den ungebrochen starken Andrang auf die Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen zu bremsen.
Ausständig ist vor allem auch eine raschere Angleichung von Sonderpensionsrechten etwa für Beamte der Gemeinde Wien. Die rot-grün geführte Stadt Wien ist nun das einzige Bundesland, das sich etwa bei der neuen Berechnungsmethode einen um 14 Jahre längeren Umstellungszeitraum als der Bund für seine Beamten und für die ASVG-Versicherten gewährt.
Um mehr Kostentransparenz zu schaffen ist eine Änderung der Finanzierung notwendig. Derzeit werden beispielsweise Rehabilitationsmaßnahmen von rund 830 Millionen Euro der Pensions- statt der Krankenversicherung zugerechnet. Ähnliches gilt für die Übernahme von Kosten von gut 700 Millionen Euro für die Anrechnung der Kindererziehungszeiten und von Zeiten der Arbeitslosigkeit, die der Pensionsversicherung aufgehalst werden.
Was tun? Bisher sind in der Serie erschienen:
Bildung (31.8.), Steuern (31.8.), Justiz (4.9.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2013)