Als die Deutschen ihre Exfreunde umbrachten

Italienische Gefangene auf Korfu
Italienische Gefangene auf Korfu(c) Bundesarchiv
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70. Jahrestag des Massakers von Kefalonia: Auf der griechischen Insel brachten deutsche Truppen Ende September 1943 mehr als 5000 italienische Gefangene um.

Die Männer sollen, so berichtete später ein überlebender Feldgeistlicher, gesungen haben, geweint und gebetet. Viele hätten die Namen ihrer Frauen, Kinder oder Mütter laut ausgerufen, andere hätten einander festgehalten. Manche seien zu Boden gegangen, als hätten sie versucht, irgendwie kriechend durch das verdorrte Gras zu entkommen; vielleicht waren sie aber auch nur in verzweifelte, zornige Krämpfe verfallen. Und dann schlugen die Kugeln der deutschen Maschinengewehre auch schon in ihre Körper ein.

Dieser Tage jährt sich zum siebzigsten Mal eines der schwersten Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht: Das Massaker auf der griechischen Insel Kefalonia, wo, beginnend mit 21. September 1943 und an den Folgetagen, deutsche Truppen mehr als 5000 italienische Gefangene auf der Stelle hinrichteten - darunter fast alle Offiziere, derer sie habhaft werden konnten. Am Ende war die italienische Besatzungstruppe auf der Insel, die einst im Piemont aufgestellte 33. Gebirgsinfanteriedivision „Acqui", großteils ausradiert.

Satellitenbild von Kefalonia
Satellitenbild von KefaloniaNASA

Im Grunde war es eine Strafaktion Deutschlands dafür, dass die verbündete Achsenmacht Italien kurz zuvor „abgesprungen" war: Im Juli 1943 waren alliierte Truppen nach der Niederlage der Deutschen und Italiener in Nordafrika auf Sizilien gelandet. Kurz danach wurde Diktator Benito Mussolini von seinen eigenen Faschisten und von König Viktor Emanuel III. gestürzt, und als britische Truppen Anfang September auf dem italienischen Stiefel selbst landeten, schloss die Interimsregierung unter Marschall Pietro Badoglio mit den Alliierten einen Waffenstillstand. Italien wurde darauf sofort von starken deutschen Streitkräften besetzt.

Hissen der Hakenkreuzflagge über Athen, Mai 1941
Hissen der Hakenkreuzflagge über Athen, Mai 1941Bundesarchiv

Griechenland wiederum war seit April/Mai 1941 von Deutschen, Italienern und Bulgaren besetzt. Vorangegangen war dem der schmachvoll misslungene Versuch Mussolinis, Griechenland zu unterwerfen. Zwei italienische Armeekorps hatten Ende Oktober 1940 von Albanien aus angegriffen, blieben aber angesichts schlechten Wetters, schwierigen Geländes und des zähen Widerstandes der deutlich unterlegenen griechischen Armee stecken.

Die Griechen gingen sogar zum Gegenstoß über und hatten bis Dezember 1940 etwa ein Drittel Albaniens erobert. Als später auch noch britische und andere Commonwealth-Truppen (vor allem australische und neuseeländische) an der Seite der Griechen intervenierten und die Italiener in Albanien vor der Niederlage standen, sahen sich die Deutschen zur Intervention gezwungen. Beginnend mit 6. April besetzten sie in einem beispiellosen Blitzkrieg Griechenland und Jugoslawien. Nach dem Abzug des Gros der Deutschen wurden in Griechenland die Italiener zur größten Okkupationsmacht, sie hatten dort mehr als 170.000 Mann bzw. etwa elf Infanteriedivisionen stehen.

Auf der rund 700 Quadratkilometer großen Insel Kefalonia im Ionischen Meer vor der griechischen Westküste (auf der gebirgig-pittoresken Insel leben heute rund 40.000 Menschen) stand im Sommer 1943 die erwähnte Acqui-Divison mit etwa 11.500 Soldaten und 520 Offizieren. Sie bestand im Kern aus zwei Infanterieregimentern, einem Artillerieregiment und zwei Bataillonen „Schwarzhemden" (faschistischen Eliteeinheiten), ein drittes Regiment Infanterie war auf der nahen Insel Korfu stationiert.

Deutscher Panzer IV in Athen, 1941 oder 1942, im Hintergrund der Hephaistos-Tempel
Deutscher Panzer IV in Athen, 1941 oder 1942, im Hintergrund der Hephaistos-Tempel(c) Bundesarchiv

Befehlshaber war General Antonio Gandin, ein 52jähriger aus Avezzano in den Abruzzen, der sich zuvor im Rahmen des italienischen Expeditionskorps in Russland dermaßen ausgezeichnet hatte, dass ihm die Deutschen ein Eisernes Kreuz verliehen.

General Antonio Gandin
General Antonio Gandinwww.divisioneacqui.com

Im Spätsommer 1943 brachten die Deutschen zur Sicherheit ebenfalls Truppen auf die Insel: Ein rund 2000 Mann starkes Festungs-Grenadierregiment unter dem 37jährigen Oberstleutnant Johannes Barge, einem gebürtigen Westfalen.

Auch im übrigen Griechenland war die deutsche Präsenz der ungünstigen Kriegsentwicklung im Mittelmeerraum erhöht worden: Hier stand 1943 die „Heeresgruppe E" mit Hauptquartier in Saloniki, ihr Oberbefehlshaber war der Österreicher Alexander Löhr (*1885 im heutigen Rumänien), ein Luftwaffenoffizier.

Italiener wurden den Deutschen unterstellt

Im September 1943 bestand die Heeresgruppe im wesentlichen aus zwei Infanteriedivisionen, einer „Festungsdivision" auf Kreta sowie einer Gebirgs- und einer Jägerdivision, beide zusammengefasst im XXII. Gebirgs-Armeekorps. Zudem war der Heeresgruppe eine bulgarische Division unterstellt - und auch alle italienischen Streitkräfte in Griechenland: Darin hatten die Italiener nach Mussolinis Sturz nämlich eingewilligt, quasi als Geste der Besänftigung.

Deutsche Gebirgsjäger auf Kreta
Deutsche Gebirgsjäger auf KretaBundesarchiv

Als Italien am 8. September 1943 offiziell den Waffenstillstand mit den Alliierten ausrief, wurde es ernst: General Gandin bekam zunächst unklare Befehle vom italienischen Oberkommando in Griechenland, denen zufolge sollten sich die Truppen möglichst neutral verhalten, mit keiner Seite paktieren, bei Bedrohungen aber „größtmöglich entschlossen" reagieren. Erst am 11. September kam vom zentralen Oberkommando in Italien der Befehl, die Deutschen als Feinde zu betrachten und sich gegen Entwaffnungsversuche zu wehren.

Zwischenzeitlich hatten Gandin und Barge, die einander gut leiden konnten, Gespräche geführt. Die Sache war durch die formale Unterstellung der italienischen Truppen unter die Heeresgruppe E einigermaßen vertrackt, denn als die Italiener aufgaben, konnten ihre Streitkräfte von den Deutschen durchaus legitim als Verräter und fahnenflüchtige Befehlsverweigerer betrachtet werden.

Oberstleutnant Johannes Barge
Oberstleutnant Johannes BargePrivat

Über die weitere Vorgehensweise zerstritt sich General Gandin mit seinem gesamten Stab. Einerseits wollte er nicht mit den Deutschen weiterkämpfen, das hätte seinen Befehlen aus Italien widersprochen; andererseits wollte er die ehemaligen Waffenbrüder nicht bekämpfen, gleichzeitig aber aus Stolz auch nicht einfach die Waffen niederlegen, wie der deutsche Kommandeur forderte.

Beide Offiziere vereinbarten schließlich, dass die Italiener auf Kefalonia sich abschnittsweise in Etappen ergeben und ab 16. September per Schiff nach Italien gebracht würden; ihre Waffen sollten sie erst beim Besteigen der Schiffe abgeben. Die Deutschen sagten zu, keine Verstärkungen herbeizubringen und nichts an der Lage zu ändern.

Dennoch kam es am 12. September zu Raufereien und Gewaltakten, als deutsche Soldaten eine italienische Geschützeinheit entwaffnen wollten. Als tags darauf deutsche Boote Truppen bei der Inselhauptstadt Argostoli landen wollten, eröffneten italienische Kanonen das Feuer und versenkten zwei Boote, mehrere Deutsche starben.

Die Italiener wählten den Kampf

Dann ließ Gandin in der Nacht auf den 14. September seine komplette Division über das Vorgehen abstimmen: Wollten die Männer für die Deutschen kämpfen, gegen diese oder sich ergeben? Ergebnis: Sie wollten fortan gegen die Deutschen kämpfen.

Was Gandin nun Barge mitteilte, ist bis heute nicht eindeutig geklärt, es gibt mehrere Versionen. Sicher sagte er, dass er die alte Vereinbarung nicht einhalten könne und seine Division auf ihrem Posten bleiben wolle. Dann dürfte er angeboten haben, seine schwere Artillerie und Flak abzugeben, aber seine Truppe sonst voll ausgerüstet nach Italien zu verschiffen. Es heißt aber auch, er habe seinerseits die Deutschen ultimativ zum Abzug aufgefordert.

Die hatten freilich ihrerseits Vorbereitungen für den Notfall getroffen und schlugen am Mittag des 15. September zu, als Sturzkampfbomber die Positionen der Italiener bombardierten. Diese gingen nun aber ihrerseits in die Offensive und erzielten einige Erfolge: Rund 500 Deutsche wurden gefangen, zahlreiche fielen.

Major Harald von Hirschfeld, hier noch als Hauptmann
Major Harald von Hirschfeld, hier noch als HauptmannLexikon der Wehrmacht

Das Blatt wendete sich, als am 17. September Einheiten der 1. deutschen Gebirgsjägerdivision (im Kern das Gebirgsjägerregiment 98) und ein Bataillon der 104. Jägerdivision eintrafen, alle unter dem direkten Kommando von Major Harald von Hirschfeld, einem 31Jährigen aus Weimar. Das waren zusammen wohl 3000 bis 4000 Mann, die Italiener waren demnach weiter in der Überzahl - allerdings hatten die Deutschen die totale Luftherrschaft und die weitaus erfahreneren Truppen: Die Eingreifreserven waren teils schon seit dem Polenfeldzug 1939 im Einsatz gehärtet, später unter anderem in Frankreich und Russland. Sie hatten Erfahrung im grausamen Partisanenkrieg auf dem Balkan und brachten auch schwere Waffen wie Panzer und Sturmgeschütze mit. Die Italiener hingegen waren großteils militärische „Frischlinge" und besaßen nur wenig brauchbare panzerbrechende Waffen.

Viele Österreicher bei den Gebirgsjägern

Heimatgarnison der 1. Gebirgsdivision war übrigens Garmisch-Partenkirchen, sie bestand vor allem aus Bayern, aber auch aus Österreichern. In der 104. Jägerdivision dienten auch großteils Süddeutsche und Österreicher.

Es kam nun zu schweren Kämpfen auf der kleinen Insel, in denen die Deutschen bald die Oberhand errangen. Weil mittlerweile das Oberkommando der Wehrmacht in Berlin den Befehl gegeben hatte, jeden Italiener, der Widerstand geleistet hatte, als Verräter zu töten und keine Gefangenen zu machen, wurde der Kampf zum grausamen Gemetzel, und dieses begann am 21. September. Bis dahin waren etwa 40 (andere Quellen sagen 200) Deutsche und rund 1300 Italiener gefallen; nun aber wurden Italiener, die sich ergaben, gleich erschossen. Meist wurden sie zusammengetrieben und in Gruppen zu vier bis zehn Mann hingerichtet, ganze Einheiten, die sich ergaben, wurden en masse zusammengeschossen.

Hingerichtete Italiener auf Kefalonia
Hingerichtete Italiener auf KefaloniaGriechisches Staatsarchiv

Das änderte sich auch vorerst nicht, als General Gandin am 22. September kapitulierte. Überall wurden weiter Italiener niedergemäht, Berichte sprechen von einem wahren Blutrausch der Deutschen. Wenn sich da und dort Gebirgsjäger weigerten, Gefangene zu töten, wurde ihnen mit dem Tod gedroht.

Die Körper der meisten Toten wurden verbrannt, ins Meer geworfen oder einfach liegen gelassen. Am 24. September wurden General Gandin und 137 seiner Offiziere hingerichtet, später traf es auch fast alle übrigen Offiziere, auch die auf Korfu, wo es eintägige Kämpfe gab und sich die Italiener am 25. September ergaben. Viele der toten Offiziere wurden auf Boote gepackt, die man vor die Küste fuhr und sprengte. Am Ende waren rund 4900 bis 5100 Gefangene ermordet worden.

Hitler als Lebensretter

Dass die Deutschen dennoch rund 5300 Mann der Division Acqui gefangen nahmen und leben ließen, war angeblich Adolf Hitler selbst zu verdanken: Der übergeordnete Kommandeur von Major Hirschfeld, General Hubert Lanz vom XXII. Gebirgskorps, ein Baden-Württemberger, fragte, Berichten zufolge, aus bis heute ungeklärten Gründen mehrfach beim Stab der Heeresgruppe E nach, wie nach der Kapitulation der Division Acqui mit den Gefangenen zu verfahren sei - dabei war die Befehlslage an sich klar. Schließlich wurde die Frage dem Oberkommando der Wehrmacht, und von diesem Hitler, vorgelegt, der weitere Erschießungen nun auf Offiziere beschränkte - sofern diese nicht Faschisten, Sanitätsoffiziere, Feldgeistliche oder Südtiroler waren.

Dennoch war auch den überlebenden Italienern auf Kefalonia und Korfu kein Glück beschert (auf Korfu standen neben dem Regiment der Acqui-Division noch andere Verbände, gesamt etwa 8000 Soldaten, mehr als 7000 davon überlebten die Kämpfe): Bis zu 3000 Männer starben, als mehrere Gefangenentransportschiffe bei der Fahrt zum Festland von alliierten Flugzeugen bombardiert wurden oder auf Seeminen liefen.

Die 1. Gebirgsdivision sowie die 104. Jägerdivision mussten sich, wie der Rest der deutschen Truppen, ab etwa Mitte 1944 langsam nach Norden den Balkan hinauf zurückziehen, wurden in schwere Kämpfe verwickelt und großteils aufgerieben. Ende April 1945 fochten die Reste der 1. Gebirgsjägerdivision im Semmering-Gebiet, hielten dort die Russen auf und setzten sich am Ende in die Obersteiermark und in US-Gefangenschaft ab. Die überlebenden Jäger der 104. Division gingen im Mai 1945 bei Celje (Cilli) in Slowenien in jugoslawische Gefangenschaft.

Verfahren verliefen im Sand

Die Aufarbeitung der deutschen Kriegsverbrechen auf Kefalonia war nur bruchstückhaft und verlief im Grunde im Sand. Major von Hirschfeld war 1945 in den polnischen Karpaten gefallen. Oberstleutnant Barge war wenige Tage nach Beginn der Kämpfe und noch vor Beginn des Massakers von Löhr abgelöst und nach Kreta versetzt worden. Ermittlungen der deutschen Justiz gegen ihn wurden in den 1960ern eingestellt, weil er mit dem Massaker nichts zu tun hatte. Er starb im Jahr 2000.

General Lanz vor dem Nürnberger Tribunal
General Lanz vor dem Nürnberger TribunalUS National Archive

General Lanz, der Chef des XXII. Gebirgs-Armeekorps, kam vors Nürnberger Militärtribunal. Zu diesem Zeitpunkt waren der Hergang des Massakers und die Vorgänge in der Befehlskette noch unklar, zudem brachten die Italiener keine Beweise für das Massaker vor das Tribunal. Lanz wurde 1948 wegen Kriegsverbrechen seiner Truppen auf dem Balkan, darunter der Erschießung der Offiziere auf Kefalonia, zu zwölf Jahren Haft verurteilt - die recht milde Strafe war auch dem Argument der Verteidigung zuzuschreiben, wonach die Italiener formal den Deutschen unterstellt waren und daher als Fahnenflüchtige oder Partisanen gelten konnten.

Keine "normalen" Kriegsgefangenen

In den 1960ern neu aufgenommene Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt, weil ein zweiter Prozess in derselben Sache laut Strafprozessordnung nicht möglich ist. Lanz starb 1982 in München.

General Alexander Löhr
General Alexander Löhr(c) Bundesarchiv

General Löhr wurde 1947 in Belgrad als Kriegsverbrecher verurteilt und erschossen.

Noch in den 1990er-Jahren und nach 2000 gab es immer wieder Ermittlungen gegen einzelne noch lebende Gebirgsjägeroffiziere, die allesamt eingestellt wurden: Wegen Verjährung, aus Mangel an Beweisen, weil die Betreffenden während der Ermittlungen starben und nicht zuletzt aufgrund des Fahnenflüchtigen-Arguments, wonach die italienischen Soldaten keine „normalen" und daher vom Kriegsrecht geschützten Kriegsgefangenen gewesen seien.

Zuletzt hatte die italienische Militärstaatsanwaltschaft in Rom im Frühjahr 2012 einen Prozess gegen einen zu dem Zeitpunkt 89jährigen früheren Wehrmachtssoldaten eröffnet, der 117 gefangene Italiener getötet haben soll. Zu dem Zweck sollten auch etwa 20 frühere Soldaten in Deutschland und Österreich vernommen werden. Man hat seither nichts mehr von dem Prozess gehört.

Auferstehung einer untergegangenen Division

Übrigens: Die untergegangene Division Acqui ist später wieder zum Leben erwacht: 1975 wurde eine motorisierte Infanteriebrigade „Acqui" getauft. Und Ende 2002 wurde die 3. mechanisierte italienische Division in San Giorgio a Cremano nahe Neapel in „Acqui" umbenannt.

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