Telekom Austria klagt Kronzeugen Schieszler

TELEKOM-PROZESS: SCHIESZLER
TELEKOM-PROZESS: SCHIESZLERAPA/HERBERT NEUBAUER
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Der skandalgebeutelte Konzern fordert zwei Mio. Euro Schadenersatz von seinem ehemaligen Manager, „Whistleblower" Gernot Schieszler. Eine außergerichtliche Einigung war offenbar nicht möglich.

Der 4. Juli 2013 war für Gernot Schieszler zweifellos ein Tag der Freude, der Erleichterung und des Glücks. Es war jener Tag, an dem das Justizministerium dem ehemaligen Telekom-Manager Kronzeugen-Status bescheinigte. Quasi als Belohnung dafür, dass Schieszler den Ermittlern schön brav und ausführlich alle Malversationen im skandalgebeutelten Konzern dargelegt hat. Am 4. Juli war Schieszler also am Ziel: Obwohl er Kern des „Systems Telekom" war, muss er keine strafrechtliche Verfolgung fürchten. Dafür muss er halt 120 Stunden Sozialdienst leisten - und 300.000 Euro Strafe bezahlen. Soll nichts Schlimmeres passieren. Kein Wunder, dass Schieszler das Diversionsangebot mit einem Seufzer der Erleichterung annahm.

Doch das Leben ist bekanntlich eine einzige Hochschaubahn. Vor wenigen Wochen hat Ex-Lobbyist Peter Hochegger Anzeige gegen Schieszler wegen Verleumdung und falscher Beweisaussage erstattet. Doch der echte Hammer erfolgte am gestrigen Freitag. Da hat nämlich Schieszlers ein Schriftstück erhalten, das schlanke acht Seiten umfasst. Es ist eine Klage der Telekom Austria - und die begehrt auf zivilrechtlichem Weg Schadenersatz von Schieszler in Höhe von gar nicht schlanken zwei Millionen Euro.

Schieszler-Anwalt Stefan Prochaska zeigte sich von der Klage überrascht. Und er findet es „bemerkenswert, dass die Telekom als erstes einen Mann klagt, der aufgedeckt hat." Freilich: Gernot Schieszler war gewissermaßen gewarnt worden: Telekom-Aufsichtsratspräsident Rudolf Kemler hatte von Anfang an ein klares Ziel vorgegeben - nämlich für den Telekom-Konzern und dessen Aktionäre so viel wie möglich Schadenswiedergutmachung zu erwirken. Die Telekom Austria hat sich deshalb auch von Anfang an als Privatbeteiligte an den Strafverfahren gegen diverse involvierte Personen angeschlossen. Vor allem aber betonte die Telekom schon im Juli: Jene 300.000 Euro, die Schieszler laut Diversion zu bezahlen hat und an die Telekom gehen, seien zu wenig.

Telekom-Sprecher Peter Schiefer: „Wir sind schon aus aktienrechtlichen Gründen verpflichtet, von allen betroffenen Ex-Vorständen Schadenswiedergutmachung zu fordern." Nachsatz: „Grundsätzlich streben wir dabei, wenn möglich, Vergleiche an." Und da wird's interessant: Die Telekom Austria hatte immer wieder betont, dass sie an einer außergerichtlichen Einigung mit Gernot Schieszler großes Interesse habe - einfach, um sich eine Menge Zores und vor allem die hohen Gerichtskosten zu ersparen.

Doch aus der Einigung wurde nichts. In der nun zugestellten Klage wird das so erklärt: „Die Klägerin (Telekom Austria, Anm.) ist in den letzten Monaten mehrfach an den Beklagten (Gernot Schieszler, Anm.) wegen einer gütlichen Einigung der weitergehenden Schadenersatzansprüche herangetreten, da sie bereit war - und auch weiterhin ist -, die enormen Ansprüche auf ein nach Einkommens- und Vermögensverhältnissen der beklagten Partei angemessenes Maß zu reduzieren." Wiewohl in der Klage auch dargelegt wird, dass die Schadenersatzforderungen keinesfalls einen am Hungertuch Nagenden treffen: Schieszler ist mittlerweile Vorstand der Christof Group, einem Grazer Anlagenbauer. Und dort verdiene er, so die Klage, „brutto rund 300.000 Euro pro Jahr." Hinzu komme noch sein „umfangreicher Liegenschaftsbesitz".

Dennoch war Schieszler offenbar nicht geneigt, sich außergerichtlich zu einigen. Zitat aus der Klagsschrift: „Nachdem zunächst der Eindruck entstand, dass die Gespräche über eine Einigung erfolgreich verlaufen könnten, wurde die klagende Partei über den Sommer 2013 von der beklagten Partei laufend hingehalten." Zuletzt sei die Andeutung gemacht worden, dass Schieszler einen dreijährigen zahlungsfreien Zeitraum wünsche. Doch als die Telekom, „wie in solchen Fällen üblich", einen vollstreckbaren Notariatsakt forderte, blieb dies „bislang trotz Urgenz unbeantwortet." Was Schieszler-Anwalt Prochaska so begründet: Schieszler habe über den Sommer seinen Sozialdienst geleistet und sei dann im Ausland gewesen. „Ich konnte also nicht mit ihm reden." Er habe daher der Telekom mitgeteilt, dass im Laufe des September noch ein Vorschlag unterbreitet werde. "Der Vorschlag wäre am Montag an die Telekom gegangen".

Es kam also, wie es kommen musste: die Telekom brachte Klage gegen Schieszler ein. Er sei immerhin „in zahlreiche Sachverhalte, die derzeit von den Strafgerichten aufgearbeitet werden, aktiv und vorsätzlich beteiligt" gewesen. Als Beispiel wird die so genannte Telekom-Kursaffäre angeführt. Dabei geht es darum, dass rund 100 Telekom-Manager im Jahre 2004 in den Genuss von Prämien in Höhe von neun Millionen Euro kamen. Freilich aufgrund eines Aktienoptionsprogrammes, dem Kursmanipulationen zugrunde lagen.

Hier hat die Telekom 9,9 Millionen Euro geltend gemacht, die von den ehemaligen Vorständen Rudolf Fischer, Stefano Colombo, einem Prokuristen sowie dem involvierten Broker Johann Wanovits zu bezahlen sind. Schieszler hingegen war fein raus - Kronzeuge, eh schon wissen.

Nun stellt sich die Telekom in ihrer Klage auf den Standpunkt, dass Schieszler zivilrechtlich zur Verantwortung zu ziehen ist, „da auch er alle diese Schäden der Klägerin schuldhaft mitverursacht hat." Und zwar einerseits „durch die vorsätzliche Mitwirkung an der Kursmanipulation im Jahr 2004", andererseits aber auch dadurch, „dass er nicht bereits während seiner Vorstandstätigkeit (...) den Sachverhalt offengelegt und aufgeklärt hat."

Allein aus diesem Sachverhalt werden die zwei Millionen Schadenersatz geltend gemacht - „ein kleiner Teilbetrag der von der beklagten Partei (mit)verursachten Schäden", wie es in der Klage heißt. Fazit: Für Schieszler ist die nunmehrige Klage wohl noch nicht das Ende der Geschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe vom 21.9.2013)

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