Offiziell gibt es in Österreich 220.000 Arbeitslose. Die Denkfabrik Agenda Austria legt nun eine Studie vor, wonach in Österreich tatsächlich 470.000 Menschen keinen Job haben – obwohl sie arbeiten wollen.
Wien. „Österreich ist immer noch sehr gut, aber nicht so gut, wie man es darstellt.“ Mit diesem Satz präsentierte Franz Schellhorn, Chef von Agenda Austria, eine Studie über die versteckte Arbeitslosigkeit in Österreich. Vier Tage vor der Nationalratswahl fördert diese zutage, dass nicht wie offiziell verkündet 220.000 Menschen keinen Job haben, sondern insgesamt 470.000. Doch diese Zahl verschweige die Statistik, meint Schellhorn.
Etwa dadurch, dass mittlerweile fast nur noch die EU-Zahlen und nicht die nationalen Berechnungen herangezogen werden. Laut EU-Definition lag die Arbeitslosigkeit im Vorjahr bei 4,3 Prozent, die österreichische Berechnung kommt auf sieben Prozent. In ihr sind etwa die knapp 60.000 Menschen, die sich in Schulungen befinden, enthalten. In den EU-Zahlen werden die aber geflissentlich übersehen. So auch die restlichen 190.000, die einen Job annehmen würden, aber offiziell nicht als arbeitslos aufscheinen. Weil sie etwa bereits Sozialhilfe beziehen.
Freilich ist diese statistische Schönfärberei kein österreichisches Phänomen. Deshalb haben sich die Studienautoren Dénes Kucsera und Michael Christl auch die zehn EU-Staaten mit den besten Arbeitslosenzahlen sowie Norwegen angesehen. Ergebnis: Auch diese Länder übersehen Arbeitslosigkeit. Die Niederlande weisen im ersten Quartal heuer offiziell 5,9 Prozent Arbeitslosenquote aus, laut Agenda Austria müssten es aber 13,4 sein. Österreich müsste für den gleichen Zeitraum statt 5,09 tatsächlich 10,32 Prozent ausweisen. „Es fällt auf, dass Österreich den statistischen Spielraum gut ausnützt“, sagt Schellhorn. Nicht so maßlos wie die Niederlande, aber viel stärker als Norwegen, Deutschland, Tschechien oder Großbritannien. Laut Agenda Austria wäre Österreich EU-weit nicht das beste, sondern „nur“ das viertbeste Land.
Klar zum Vorschein kommt, wo in Österreich am meisten statistisch beschönigt wird: Ein großer Teil, nämlich rund 81.000 versteckte Arbeitslose, sind Menschen im Alter von 55 bis 64 Jahren. Österreich rechnet sich also die hohe Zahl an älteren Arbeitslosen schön. Ganz schlimm war das nach der Pensionsreform 2003 und 2004. Damals flüchteten viele Ältere in die Frühpension – oder wurden von den Unternehmen in diese gedrängt, obwohl sie gern gearbeitet hätten.
Andererseits kam die Studie aber auch zu dem Schluss, dass Österreich bei der Jugendarbeitslosigkeit tatsächlich fast so gut ist, wie es die Statistik darstellt. Ein Grund dafür sei das duale Ausbildungsmodell, das in vielen anderen Ländern als Vorbild dient. (gh)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2013)