Der neue Chef des deutschen Elektronikriesen, Joe Kaeser, setzt den Rotstift an. Die meisten Stellen fallen in den Sparten Industrie, Energie und Infrastruktur weg.
Nach den Turbulenzen um den Sturz von Siemens-Boss Peter Löscher und dem erzwungenen Abgang von Personalvorstand Brigitte Ederer wünschte sich der neue Siemens-Chef Joe Kaeser nur eines: Ruhe für den Konzern. Mit der Ankündigung, 15.000 Stellen zu streichen, dürfte Kaeser das Gegenteil erreichen. Denn harte Gefechte mit dem mächtigen Siemens-Betriebsrat und der IG Metall sind programmiert, auch wenn die Arbeitnehmervertreter von den Plänen wissen. Löscher hatten die Belegschaftsvertreter eine kurzsichtige Portfoliopolitik, bei der allein die Marge im Mittelpunkt stehe, vorgeworfen.
Eines hat Kaeser jedenfalls geschafft: Er hat – mit der offiziellen Bekanntgabe der Zahl am Sonntag – einer langen Zitterpartie ein Ende bereitet. Zudem hat er signalisiert, dass er an den Sparplänen seines Vorgängers, dem Effizienzprogramm „Siemens 2014“, zumindest vorerst festhält. Das Sparpaket soll weltweit jährlich sechs Mrd. Euro bringen. Kaeser kündigte bei seinem Amtsantritt an, im Herbst seine Vision für den Elektronikriesen, der in Summe 370.000 Beschäftigte hat, vorzustellen. Außerdem wollte er ein neues Renditeprogramm bekannt geben. Löscher ist an der zwölfprozentigen operativen Gewinnmarge gescheitert.
Als Löscher das Sparziel vor einem Jahr ausgab, war klar, dass dies auch Arbeitsplätze kosten werde. Nur der Umfang des Personalabbaus war nicht bekannt.
Kaeser setzt den Rotstift vor allem in den konjunkturanfälligen Sektoren Industrie und Energie sowie Infrastruktur an. In Deutschland sind in Summe 5000 Arbeitsplätze betroffen, davon 2000 in der Sparte Industrie und jeweils 1400 in den anderen beiden Bereichen.
Von der Arbeiterkammer in den Siemens-Vorstand
Österreich auch betroffen
Ob Österreich – mit 8600 Beschäftigten eine der größten Töchter – mehr bluten muss als bisher angenommen, ist offen. Wie „Die Presse“ berichtete (16. Juli 2013),wurde über den Abbau von 500 Stellen verhandelt. Auch hierzulande ist die Sparte Energie betroffen, die auch das sogenannte Lösungsgeschäft umfasst – schlüsselfertige Konzepte für die Energiebranche.
Siemens will sich aus der Produktion von großen Gaskraftwerken und Gaskombikraftwerken zurückziehen. Die Anlagen sind unter Druck geraten, weil in Europa CO2-Zertifikate billig sind und sich Kohlekraftwerke wieder rentieren.
Keine betriebsbedingten Kündigungen
Über rund die Hälfte der 15.000 Jobs sei mit den Arbeitnehmervertretern bereits ein Interessensausgleich vereinbart worden, sagte ein Siemens-Sprecher. Über den verbleibenden Teil bestehe bereits allerseits Klarheit, die Arbeitsplätze würden bis Herbst 2014 abgeschafft. Die Verhandlungen seien so weit abgeschlossen. Bisher sei es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen gekommen, dies solle auch weiter so bleiben. Siemens wolle die grassierenden Spekulationen über das Thema nun beenden, sagte der Sprecher.
Analysten und Investoren haben von Kaeser rasch Klarheit über seine Strategie gefordert. Er müsse die Siemensianer überzeugen, dass der Konzern grundlegend umgebaut werden müsse, um mehr Gewinn einzufahren.
Die Bilanz des dritten Geschäftsquartals fiel durchwachsen aus. Der Gewinn aus dem fortgeführten Geschäft schrumpfte binnen Jahresfrist um 13 Prozent auf eine Mrd. Euro. Der Umsatz ging um zwei Prozent auf knapp 19,3 Mrd. Euro zurück. Der Infrastruktursektor rutschte mit 15 Mio. Euro in die roten Zahlen. Netto verdiente Siemens durch die Trennung von Osram und seiner Anteile am Netzwerkbauer NSN im dritten Quartal mit 1,1 Milliarden Euro fast die Hälfte mehr als im Vergleichszeitraum.
Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler soll bei seiner Wahl vom Vizechef zum Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates Ende 2008 einen üppigen Zuschlag erhalten haben.
Woran krankt Siemens? Um illusorische Umsatzziele zu erreichen, machte der Konzern zuletzt alles auf einmal – und nichts mehr ordentlich. Ist Siemens zu groß, um Erfolg zu haben?
Die Ablöse verlief äußert chaotisch. Der Österreicher Löscher und der deutsche Konzern haben sich dann aber doch noch "in gegenseitigem Einvernehmen" getrennt. Kaeser muss noch vor seinem Amtsantritt einen Gewinneinbruch vermelden.