Hohe Schulden, niedrige Produktivität, Reformstau: Italien befindet sich seit knapp drei Jahren in der Rezession, die Gesamtverschuldung des Staates hat 132 Prozent der Wirtschaftsleistung
Wien. Italien hätte für politische Krisen eigentlich derzeit keine Zeit: Falls Rom bis Mitte Oktober kein Haushaltsgesetz vorlegt, könnten EU, Internationaler Währungsfonds und Europäische Zentralbank einen Etat erstellen. Auf die neuerliche Krise in Rom haben die Märkte denn auch zu Wochenbeginn nervös reagiert.
Italien befindet sich seit knapp drei Jahren in der Rezession, die Gesamtverschuldung des Staates hat 132 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht, die Neuverschuldung droht mit 3,2 Prozent die EU-Vorgabe wieder zu überschreiten und die Jugendarbeitslosenrate liegt mit über 40 Prozent auf einem 30-Jahres-Hoch. Auch die Ratingagentur Fitch hat Italien bereits verwarnt: Angesichts der politischen Instabilität sei eine neuerliche Abstufung nicht auszuschließen.
Italiens größtes Problem ist eine systemimmanente Unfähigkeit zu Strukturreformen. Im vergangenen Jahrzehnt ist die Wirtschaftsleistung pro Kopf um durchschnittlich 0,3 Prozent pro Jahr geschrumpft – ein Negativrekord unter den Industrienationen. Damit nimmt Italien im Ranking des IWF Platz 167 von insgesamt 179 ein. Auch die Produktivität, die Anfang der 2000er-Jahre noch zaghaft wuchs, drehte Mitte des Jahrzehnts ins Minus.
Das jüngste Gerangel um die Steuerpolitik verdeutlicht die Probleme. So musste Premier Letta auf Geheiß Berlusconis die von seinem Vorgänger Mario Monti eingeführte (und von allen Ökonomen gelobte) Immobiliensteuer wieder abschaffen. Um das Loch im Budget zu stopfen, das auf rund vier Milliarden Euro pro Jahr taxiert wird, müssen nun andere Einnahmequellen angezapft werden, damit Italiens Staatshaushalt nicht vollends entgleist.
Als erster Schritt wurde am 1. Oktober die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt auf 22 Prozent angehoben – was aber nicht ganz reichen dürfte. Und im Gegensatz zur Immobiliensteuer hat die Mehrwertsteuer den unangenehmen Nebeneffekt, die Nachfrage der Haushalte zu dämpfen. (basta/la)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2013)