UN: Ächtung von C-Waffen verschärft

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Die Syrien-Resolution des UN-Sicherheitsrats bestätigt erstmals, dass der Einsatz von Chemiewaffen eine Bedrohung des internationalen Friedens ist - ob in Friedens- oder Kriegszeiten.

Wien. Nach den Worten von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon war der 27.September ein „historischer Tag“. Schließlich habe der Sicherheitsrat durch seine Resolution „entschieden und geschlossen“ auf den Chemiewaffeneinsatz in Syrien reagiert. Angesichts dreier gescheiterter Versuche seit Oktober 2011 und den Querelen der letzten Wochen samt zahlreichen Drohgebärden keine Selbstverständlichkeit.

Was sagt die Resolution? Zunächst verweist der Sicherheitsrat in der Präambel dieser sehr komplexen Resolution unter anderem auf den Schritt, der den Stein ins Rollen gebracht hat: die am 14.9. hinterlegte syrische Beitrittsurkunde zur Chemiewaffenkonvention und die dazugehörige Erklärung, diese provisorisch anzuwenden (ein Thema, mit dem sich übrigens die Völkerrechtskommission seit letztem Jahr auseinandersetzt).

Im operativen Teil der Resolution qualifiziert der Sicherheitsrat den Einsatz von Chemiewaffen für sich genommen und somit unabhängig von Friedens- oder Kriegszeiten als eine Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit (wodurch auf den Eingangsartikel von KapitelVII der UN-Satzung verwiesen wird). Indirekt anerkennt er somit, dass der Chemiewaffeneinsatz auch in Bürgerkriegen durch das Genfer Protokoll von 1925 und allgemeines Völkergewohnheitsrecht verboten ist. Eine neue Stufe der internationalen Ächtung von Chemiewaffen, denn derlei generalisierende Feststellungen erfolgen höchstens in Ausnahmesituationen, wie etwa in Bezug auf Terrorismus nach 9/11.

Quasiselbstverpflichtung

Zusätzlich verurteilt die Resolution jeglichen Chemiewaffengebrauch im Syrien-Konflikt, insbesondere den Angriff vom 21.August2013, ohne jedoch den Urheber zu nennen. Auf dieser Grundlage verbietet der Sicherheitsrat allen Parteien derartige Kriegsmittel in Besitz zu bringen oder einzusetzen. Ergänzend dazu ist allen Staaten und sonstigen Akteuren deren Weitergabe an eine Konfliktpartei bzw. die Unterstützung bei ihrer Herstellung untersagt. Vor allem aber verlangt der Sicherheitsrat die zügige Umsetzung des Plans zur Vernichtung des gesamten syrischen C-Waffen-Arsenals. Abschließend legt er in einer ungewöhnlichen Form der Quasiselbstverpflichtung fest, im Falle eines Verstoßes gegen diese Bestimmungen Maßnahmen gemäß Kapitel VII zu verhängen.

Ungeachtet der anfangs erwähnten Euphorie sind die stark divergierenden Interessen der Mitglieder des Sicherheitsrats deutlich erkennbar. Wie der russische Außenminister Sergei Lawrow betonte, handelt es sich nicht um eine unter Kapitel VII verabschiedete Resolution. Schließlich wollte Russland keine wie auch immer geartete rechtliche Grundlage für eine militärische Intervention gemäß diesem Kapitel schaffen. Zugleich verweist der Text allerdings explizit auf die in Art 25 der UN-Satzung festgelegte generelle Bindungswirkung von Beschlüssen des Sicherheitsrats. Insofern führen Verletzungen dieser Resolution nicht zu unmittelbaren Sanktionen oder einer Autorisierung von Militärschlägen. Wohl aber lösen sie völkerrechtliche Verantwortlichkeit aus, wobei entsprechende Schritte allerdings einer neuen Resolution bedürfen, zumindest über die Art der Maßnahmen nach KapitelVII. Ungeachtet der oben erwähnten Selbstverpflichtung könnte dies wiederum an einem Veto scheitern. Lawrow verlangt nicht umsonst, dass Verstöße mit „hundertprozentiger Sicherheit“ erwiesen sein müssen.

Einem Militärschlag in Syrien fehlt somit selbst bei einem neuerlichen Chemiewaffeneinsatz nach wie vor ein Mandat des Sicherheitsrats. Die in diesem Zusammenhang oft genannte „responsibility to protect“, derzufolge bei Genozid, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine besondere Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft im Allgemeinen und des Sicherheitsrats im Besonderen besteht, erweist sich im Lichte widerstreitender geostrategischer Interessen einmal mehr als zahnlos.

Militäreinsatz nicht legitimiert

Daneben greifen auch andere rechtliche Begründungen für einen Militäreinsatz nicht. Die von Großbritannien und den USA ins Feld geführte „humanitäre Intervention“ ist alles andere als völkerrechtlich anerkannt. Dasselbe gilt umso mehr für die ungebührlich weite Auslegung des auf dem Selbstverteidigungsrecht beruhenden Konzepts des „Präemptivschlags“ nach dem Muster des Irak-Kriegs.

Im innenpolitischen Diskurs hat das Völkerrecht in den USA im Gegensatz zu Großbritannien indes keine Rolle gespielt: der von Präsident Obama eingebrachte Gesetzesvorschlag zwecks Autorisierung eines Militärschlags hat dieses Thema ebenso wenig behandelt wie die im Kongress geführte Debatte. Die einzige Erwähnung der Satzung der Vereinten Nationen veranlasste Außenminister Kerry zu der lapidaren Feststellung, dass ein Versagen des Sicherheitsrats die USA gewiss nicht vom Handeln abhalten werde. Letzten Endes könnte somit einmal mehr die Devise „Might is right“ gelten.


MMag. Ralph Janik, LL.M., ist Assistent am Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung der Uni Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2013)

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