Viennale: Wien als Bastion der Filmkultur

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Viennale Wien Bastion Filmkultur(c) © Viennale
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In einer Woche beginnt Wiens Filmfest, bei der Programmkonferenz freute man sich über seine große internationale Reputation. Was macht es besonders? Eine Analyse.

Dass Wien als Stadt für Kinogeher im internationalen Spitzenfeld liegt, ist eine Tatsache, die einem vor Ort nicht notwendigerweise bewusst sein muss. Zum einen ist der reguläre Betrieb mit aktuellen Filmen – die auch in den Medien den meisten Raum einnehmen – weltweit zunehmend gleichgeschaltet. Das alternative, heutzutage als Arthouse firmierende Angebot muss zum anderen ökonomischen Gesetzen gehorchen: Egal wie stark Asiens Kino weiterhin sein mag, in Europas Lichtspielhäusern taucht es kaum noch auf, weil die EU das Abspielen ihrer Produktionen fördert. Freilich: Auch ein so außergewöhnlicher Film wie Thomas Arslans deutscher Western „Gold“ hat trotz Star Nina Hoss keinen Verleih hierzulande und wird nur auf der nächsten Donnerstag startenden Viennale zu sehen sein.

Die Filmkultur liegt zunehmend in Händen von Festivals und Kinematheken. Dass Wien hier eine Bastion ist, beweist schlagend die schon morgen beginnende große Retrospektive von Viennale und Filmmuseum zu Comedygenie Jerry Lewis (mehr dazu in der „Presse am Sonntag“). Sie ist auch sensationell, weil die Filme in originalgetreuen 35-mm-Kopien gezeigt werden, was in der Filmmuseumslandschaft keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Auch renommierte Häuser zeigen Digitalkopien, manchmal gar Blu-rays: was in etwa so wäre, als würde ein Museum bei einer Ausstellung nicht die originalen Bilder aushängen, sondern – egal wie sorgfältig gemachte – Reproduktionen.

Andere vermeintlich selbstverständliche Aspekte von Wiens Filmfest fallen auch erst im internationalen Vergleich auf: Sei es die verlässlich hohe technische Qualität der Projektionen, sei es die Abwehr von Sponsortrailern vor Filmen, die auf vergleichbar niveauvollen Festivals gerade dem wichtigsten Publikum, den Vielbesuchern, bald nur auf die Nerven gehen. Der globale Ruf der Viennale als cinephiles Ereignis ist aber, wie Direktor Hans Hurch bei der Programm-Pressekonferenz „in aller Bescheidenheit“ anmerkte, der Linie der Selektion zu verdanken.

Gäste: Ferrell, Lanzmann, Jackie Stewart


Diese macht Hurch seit 1997 (und mindestens bis 2016): Er macht auch immerhin keinen Hehl daraus, dass sein Geschmack schon seit Langem die Selektion prägt, die damit – und mit allen Stärken und Schwächen – im internationalen Vergleich unverwässerter daherkommt. Auch das sorgt für den Ruf der Viennale, beschränkt zugleich natürlich, was in Wien sichtbar wird – jüngere Festivals wie VIS (für Kurzfilme) und /Slash (für Genrekino) sind aus Bedürfnissen entstanden, die da unbefriedigt bleiben. Als Reaktion ist die Viennale gerade bei den Spezialprogrammen offener geworden: Heuer würdigt man Populäres wie asiatische 3-D-Genrefilme und US-Komiker Will Ferrell, der auch als Stargast kommt, neben dem bei Kritikern angesagten, dokumentarischen Harvard Sensory Lab und dem spanischen Regisseur (sowie Profiglücksspieler!) Gonzalo García Pelayo – eine Entdeckung selbst für Spezialistenkreise.

Vom Eh-klar-Eröffnungsfilm „Inside Llewyn Davies“ der Coen-Brüder über große, gewohnt strenge Kurzfilme des Hurch-Favoriten Jean-Marie Straub bis zu randständigen Meisterstücken wie der vierstündigen Dostojewski-Paraphrase „Norte“ vom Filipino Lav Diaz strebt das Festival nach Balance. Wie auch bei den Gästen: Der streitbare Dokumentarist Claude Lanzmann präsentiert sein außerordentliches Epos „Der Letzte der Ungerechten“, der legendäre Rennfahrer (Sir) Jackie Stewart kommt zum 1971 gedrehten Zeitdokument „Weekend of a Champion“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2013)

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