"Unternehmer werden bei uns nicht geschätzt"

Stefan Pierer, Michael Tojner
Stefan Pierer, Michael TojnerDie Presse
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Warum die Österreicher sich lieber auf den Staat verlassen und das Kammernsystem geändert gehört. KTM-Chef Stefan Pierer und der Gründer von Global Equity Partners Michael Tojner im Gespräch mit der »Presse am Sonntag«.

Sie haben einmal gesagt, dass Unternehmern in Österreich zu wenig Anerkennung zuteil wird. Was führte zu dieser Meinung?

Pierer: Wir haben eine sehr ausgeprägte Wertschätzung für sportliche Leistungen in diesem Land. Für Unternehmer gibt es sie nicht. Vermutlich hat diese geringe Wertschätzung politische Gründe. Zweifelsohne kommt die Abneigung aus der linken Ecke. Unternehmertum wird mit Besitz, ja mit übermäßigem Besitz in Verbindung gebracht. Unterschwellig sogar mit Diebstahl, der auch legitimiert, dass man Vermögen umverteilt, ich sag das jetzt ganz provokant.

Vielleicht hängt das damit zusammen, dass hierzulande Staat und Großunternehmen immer stark verknüpft waren? Denken wir nur an die verstaatlichte Industrie.

Pierer: Das kann durchaus sein, das scheint eine logische Erklärung zu sein.

Tojner: Ich glaube auch, dass diese Abneigung des Unternehmertums in Österreich und teilweise auch in Deutschland aus der politischen Ecke kommt. Die Österreicher verlassen sich auf den Staat, wenn etwas schiefgeht. Ganz anders ist das etwa in der Schweiz: Dort ist der Staat nicht der Erstverantwortliche. Dort schaffen Unternehmen Arbeitsplätze und dort geht ein erfolgreicher Unternehmer in die Politik und dient der Allgemeinheit.

Pierer: Und zwar unentgeltlich als Beitrag an die Gemeinschaft.

Tojner: Der Unternehmer wird in der Schweiz ganz anders geschätzt. Bei uns sieht der Einzelne viel zu wenig, dass es die Unternehmer sind, die den Staat speisen. Diese Anerkennung hat der Unternehmer in Österreich gar nicht, in Deutschland nur zu einem Teil.

Ein bisschen darf Vater Staat aber auch zum Wohl der Wirtschaft beitragen, oder?

Pierer: KTM hat eine Exportquote von 97 Prozent. Die Koalitionsverhandlungen in aller Ehre, aber die wirken sich auf uns nur in Form von Steuerregelungen und juristischen Rahmenbedingungen aus.

Nehmen sich Politiker zu wichtig, wenn sie erklären, wie man Arbeitsplätze schafft?

Tojner: Ja, sie unterliegen einer Fehleinschätzung. In den USA ist ein Buch über Steve Jobs vergriffen, der hat Sympathiewerte knapp unter dem Präsidenten. Oder Warren Buffett. Diese Leute haben einen gewissen Status.

Pierer: Und das fehlt in Österreich. Da erfahren die Jungen zu wenig, dass Unternehmertum eine Lebenserfüllung sein kann.

Wirtschaftsbücher zählen auch hierzulande zu den Bestsellern, aber es sind in der Regel jene, die gegen die Globalisierung, gegen „Ungerechtigkeit“, sprich gegen den Kapitalismus anschreiben.

Tojner: Ich glaube das ist hauptsächlich der Finanzwirtschaft geschuldet. Da hat es natürlich Übertreibungen gegeben. Da wurden Produkte entwickelt, die überhaupt keinen volkswirtschaftlichen Nutzen hatten. Das war eine Fehlleitung von Kapital. Diese Finanzwirtschaft muss man von der realen Wirtschaft komplett unterscheiden. Pierer: Natürlich hat die Finanzindustrie Verantwortung zu übernehmen. Aber irgendwer hat das ja auch zugelassen. Die Verbrüderung der Politik mit der Finanzwirtschaft hat uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind. Und jetzt schwingt sich die Politik auf, die Welt zu retten. Meiner Meinung nach muss die Politik genauso zurückgedrängt werden wie die Finanzwirtschaft.

Im Gegenzug wollen Sie, dass Unternehmertum gefördert wird. Was ist ein Unternehmer?

Pierer: Er ist im wahrsten Sinn des Wortes „Unternehmer“. Damit ist alles gesagt. Es geht darum, selbstständig etwas zu unternehmen. Da gehören charakterliche und persönliche Eigenschaften dazu. Es braucht eine positive Lebenseinstellung, denn das Leben besteht nicht nur aus Erfolgen. Man muss Freude am Wettbewerb haben.

Aber Wettbewerb wird mit unsozial gleichgesetzt . . .

Pierer: Apropos Grüne. Die haben viel Positives bewirkt, aber in Summe ist es eine Ansammlung von verstaubten Leuten, die leistungsunverständig sind. Aber was sie nicht kennen, kann ich ihnen nicht vorwerfen.

Tojner: Da sind wir wieder bei der Anfangsfrage. Bei uns verlassen sich viel zu viele auf den Staat. Das ist das größte Problem.

Pierer: Es ist ein physikalisches Grundgesetz, dass dort, wo es keine Energiedifferenz gibt, nichts mehr geht. Das ist das Ende. Nur aus dem Unterschied entsteht etwas.

Tojner: Nämlich eine Aufbruchsstimmung. Daraus kommt ja das Unternehmertum. Man will sich verbessern, durchaus auch finanziell, das ist ja nichts Schlechtes.

Wo beginnt Unternehmertum?

Tojner: Jeder, der ein Dorffest organisiert, ist ein Unternehmer.

Pierer: Das sind unheimlich engagierte Leute.

Tojner: Natürlich ist der Jugendtrainer in Mattighofen, der 20 Burschen managt und Meister werden will, der zur Raika und zu KTM geht, um Sponsoren zu gewinnen, ein Unternehmer. Er geht keine extremen Risken ein, aber er will Erster werden. Leider beobachte ich aber, dass auch solches Engagement abnimmt.

Pierer: Ich denke auch an Non-Profit-Organisationen.

Und warum funktioniert das Ihrer Meinung nach in Profit-Organisationen nicht so gut?

Pierer: Faktum ist, dass wir in Österreich eine zu hohe Besteuerung auf Arbeit haben. Vor allem auch bei Leistungsträgern. Es geht nicht, dass bereits bei 60.000, 70.000 Euro Jahreseinkommen die Lohnsteuer mit 50 Prozent zuschlägt. Wie soll ich dann einen jungen Mitarbeiter motivieren? Der erklärt mir dann, was Work-Life-Balance ist. Diese Rahmenbedingungen führen dazu, dass es zu Stagnation kommt.

Tojner: Der Zuzug von Leistungsträgern wird in Österreich überhaupt nicht gefördert. In Amerika kommen die besten Leute der Welt ins Silicon Valley. So etwas Ähnliches gibt es hierzulande nicht. Wir müssen nicht nur unsere eigenen Leute von der hohen Lohnsteuer und Sozialversicherung entlasten, sondern auch den Zuzug von guten Leuten fördern. Denn die gründen dann auch wieder Unternehmen. Und die haben schließlich auch mehr Antrieb, wenn sie etwa aus Bulgarien oder Rumänien kommen.

Pierer: Man muss sich ja nur ein Beispiel an Australien und Kanada nehmen. Dort ist es nicht leicht, alle Kriterien für eine Einwanderung zu erfüllen. Aber wenn man einmal eingewandert ist, dann bekommt man volle Unterstützung. Und schauen Sie einmal, wie viele dieser Einwanderer dann Unternehmen gegründet haben. Ich meine damit nicht nur den einen, der hierzulande kurz politisch tätig war.

Staatliche Unterstützung oder Förderung ist in Ländern wie Kanada nicht so üppig. Aber: Es kann sich jeder entfalten. Es gibt keine bürokratischen Barrieren.

Pierer: Genau darum geht es. Es geht auch bei uns nicht um Förderungen, sondern ums Abhalten, um Restriktionen und Bürokratie, das sind die Hürden. Und ich sage ganz offen: Eine Kammer im klassischen Sinn, eine Wirtschaftskammer, ist obsolet. Die braucht kein Mensch. Ich habe in meinen 30 Jahren Unternehmertum kein einziges Mal die Wirtschaftskammer gebraucht.

Tojner: Ein Jungunternehmer verliert Zeit bei der Gewerbeanmeldung und so weiter. Ich bin auch gegen die Pflichtmitgliedschaft in allen Bereichen, von der Arbeiterkammer bis zur Wirtschaftskammer und Bauernkammer. Das ist ein Relikt aus der Nachkriegszeit, das braucht kein Mensch.

Fürchten Sie ohne Sozialpartner nicht um den Verlust des sozialen Friedens?

Pierer. Wenn ich von sinnlosen, stundenlangen Verhandlungen höre, anstatt dass man die Löhne der Metaller einfach regelt, indem man sagt: Basis ist Ausgleich der Inflationsrate und dann können sich Branchen, je nachdem, wie gut es ihnen geht, mit den Arbeitnehmern arrangieren. Die Belegschaftsvertreter wissen ohnehin, wo es langgeht und sind super in Ordnung.

Tojner: Es kann ja eine Interessenvertretung geben, aber keine Pflichtinteressenvertretung. Die Arbeiterkammer ist schon in Ordnung, solange die Leute beitreten und austreten können. Aus der Kirche kann man auch austreten. Warum nicht aus der Wirtschaftskammer?

Sie werfen den Kammern also vor, päpstlicher als der Papst zu sein.

Tojner: Ja, und sozialer Frieden herrscht ohnehin aufgrund der Großen Koalition, die unser Land demnächst wieder regieren wird.

Pierer: Wenn man über Lohnverhandlungen redet, sollte man sich auch anschauen, was davon bei den Arbeitnehmern überhaupt ankommt. Von den Lohnerhöhungen gehen ja über 50 Prozent in die Staatskasse. Eigentlich sollte bei den Lohnverhandlungen einmal der Staat aussetzen und nichts dazubekommen. Dann würde sofort mehr im Lohnsackerl ankommen. Das fließt dann ohnehin in den Konsum. Was mit dem öffentlichen Geld gemacht wird, sehen wir ohnehin.

Tojner: Würde man das amerikanische System anwenden, dem Arbeiter bei KTM die 4000 Euro, die er das Unternehmen kostet, in die Hand geben und gleichzeitig Erlagscheine für die Sozialversicherung, für die Gemeinde, für die Lohnsteuer, dann wären die Leute auf der Straße.

Weil sie sehen, wie viel Geld ihnen abgezogen wird?

Tojner: Ja, mit diesem System wäre der Druck auf eine Staatsreform da, dann würde effizienter gearbeitet werden.

Pierer: Ich glaube, das Transferkonto hätte schon einen Sinn gehabt.

Fazit?

Tojner: Man sollte sich weniger auf den Staat verlassen. Ich glaube, die Jungen merken ohnehin, dass die Pensionen nicht mehr sicher sind. Deshalb hoffe ich auch, dass das Unternehmertum zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.

Pierer: Das Diktat der leeren Kassen wird uns in die richtige Richtung zwingen.

Entrepreneurs

„International erfolgreiches Unternehmertum aus Österreich“ heißt ein zweiteiliger Workshop an der WU Wien. Vortragende sind neben Michael Tojner und Stefan Pierer auch Bwin-Gründer Manfred Bodner und IV-Präsident Georg Kapsch.

Die Veranstaltung findet am 18. und 21. November jeweils ab 17 Uhr im LC Library & Learning Center Wirtschaftsuniversität Wien, Welthandelsplatz 1, 1020 Wien statt. Anmeldungen sind nicht erforderlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2013)

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