"Reis mit Butter schmeckt uns auch gut"

Reis Butter schmeckt auch
Reis Butter schmeckt auchRania Moslam
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Max Gaier und Bobby Slivovsky überleben mit ihrer Combo "5/8erl in Ehr'n" nur, weil sie Plattenlabels meiden. Ein Gespräch über Wienerlied, Soul und mickrige ORF-Gagen.

Die Presse: In einem eurer Lieder singt ihr: „Leben wie Qualtinger und sterben wie Heller“. Also laut leben, aber reich sterben?

Max Gaier: Das kann man auf viele Arten verstehen. Ich persönlich finde die Entwicklung von André Heller ziemlich groß. Der war am Anfang bei Ö3 gegen alles und hat dann eine Platte gemacht, die Ultraschlager ist und auf Platz eins geht. Und irgendwann sagt er sich: Ich will nicht Popstar sein – und verlässt das Geschäft. Das ist schon stark. Darum sterben wie Heller.

Qualtinger soll einmal gesagt haben: Um zu überleben, müsse er „vor Unwürdigen für Geld auftreten wie die Tanzbären im Zirkus“. Geht es euch da ähnlich? Ist Geld eine Triebfeder, um auf die Bühne zu gehen?

Bobby Slivovsky: Nein, gar nicht. Wenn man das für Geld macht, wird es keine gute Musik.

Gaier: Für Geld würde ich das nie machen. Wir haben ja am Konservatorium Jazz studiert, und da bekommt man oft Angebote, auf irgendwelchen Hochzeiten zu singen. Im Studium hab ich das auch noch gemacht. Aber nach einem Hochzeits-Gig war ich immer eine Woche depressiv.

Warum?

Gaier: Man singt da Lieder, die in Wahrheit keinen interessieren. Da geh ich lieber kellnern, bevor ich Sachen singe, die ich nicht vertreten kann. Das macht mich nicht glücklich. Klingt ein bissl esoterisch, ist aber so.

Also kein Ausflug in den Schlager-Pop wie der junge Heller?

Slivovsky: Das schließe ich aus, dafür sind wir zu alt.

Gaier: Aber überlegt haben wir das auf Tour natürlich schon. Leute wie der Andreas Gabalier füllen ja Hallen. Schwer ist das nicht. So ein Lied kann man schon in 30 Sekunden schreiben, und schon läufst du in der Dauerschleife.

Werdet ihr zu wenig im Radio gespielt?

Gaier: Wir werden in Deutschland mehr im Radio gespielt als in Österreich. Das sagt eigentlich alles.

Slivovsky: Superfly und Ö1 spielen uns ab und zu. Aber dass die Regionalsender keine Musik spielen, die regional passiert, ist eine Katastrophe. Würde uns Radio Wien regelmäßig spielen, könnten wir ein bissl ein anderes Gespräch führen.

Macht das so viel aus?

Gaier: Ja, es geht da nicht nur um Tantiemen, sondern auch um Promotion. Wir spielen 80 Live-Gigs im Jahr, aber das haben wir uns über Jahre hart erarbeitet. Früher, in den 1970ern, war es als Österreicher einfacher, via Radio bekannt zu werden.

Könnt ihr von eurer Musik leben?

Gaier: Ich sage immer: Reis mit Butter schmeckt uns auch gut. Slivo unterrichtet nebenbei an der Musik-Uni. Aber wir sind sehr privilegiert, weil wir halbwegs davon leben können.

Es ist bekannt, dass ihr von Beginn an alles selbst gemacht habt. Von der Produktion bis zum Booking. Warum?

Slivovsky: Wir könnten nicht davon leben, wenn wir bei einem Major-Label wären. So müssen wir halt alles machen. Auch die Buchhaltung. Wer heute so dumm ist und zu einem Major-Label geht, fängt mit einem Schuldenberg an.

Gaier: Freunde von uns haben so einen Deal, und wenn sie ihrer Freundin ihre eigene CD schenken wollen, müssen sie dafür bezahlen.

Slivovsky: Das heißt 360-Deal und ist in etwa so wie ein Kopfschuss.

Wie habt ihr dann eure erste Platte finanziert?

Slivovsky: Unsere erste CD hat 600 Euro gekostet. Das haben wir uns gerade leisten können. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum sie nicht mehr gepresst wird. Die zweite und dritte hat der Musikfonds mitfinanziert.

Gaier: Wir bekommen für die Arbeit an der Platte quasi nichts. Das ist sehr selbstausbeuterisch. Es reicht nur, um die nächste Platte machen zu können. Unsere Miete zahlen wir über Live-Auftritte.

Was sind denn wirklich lukrative Auftritte?

Gaier: Das ist sehr unterschiedlich. Wir sind etwa einmal im Radio Kulturhaus aufgetreten, also ORF-Gage, und noch dazu ausverkauft. Und dann haben wir für die ganze Band 500 Euro bekommen. Vom ORF. Das gibt's normal nicht.

Slivovsky: Private Firmenfeiern zahlen sich schon aus. Es gibt Firmen, die geben Geld aus, wie wenn wir für 100.000 Leute spielten.
Gaier:
Das sind aber auch schräge Konzerte. Da ist vielleicht der Vorstand ein Fan von dir. Dann spielst du ein Konzert vor vier Leuten, aber er zahlt dir dafür unheimlich viel Geld. Du denkst dir natürlich schon: Okay, wenn du das willst, machen wir das. Aber bringen tut das jetzt eigentlich nicht viel.

Slivovsky: Es gibt eine Faustregel. Die bestbezahlten Gigs sind die, bei denen keiner zuhört und nachher alle sagen: Das war einzigartig.

Ihr habt beide Musik studiert. Hat das den Widerstand der Eltern gegen die Berufswahl gemildert?

Slivovsky: Meine Mutter hat sich schon sehr lange geschämt.

Warum?

Slivovsky: Weil ich lange auf Unterstützung angewiesen war. Ich bin immer hingegangen und hab mir 50 Euro borgen müssen. Und sie hat sich gedacht: Der Typ ist 25, das kann nicht wahr sein.

Gaier: Meine Eltern haben mich auch immer finanziell unterstützt.

Slivovsky: Finanziell bin ich dankbar, aber es gibt eben Leute, die meinen Beruf nicht als Beruf verstehen. Ich komme aus Kirchberg an der Pielach. Und dort habe ich vielleicht für zehn Prozent einen Beruf, und für alle anderen bin ich einer, der nichts hackelt. Und das bei über 40 Stunden die Woche.

Gaier: Da gibt es so viele Trugschlüsse: Slivo hat seit Ewigkeiten diesen alten, kaputten Mercedes. Aber nachdem wir den Amadeus gewonnen haben, fährt er wieder ins Dorf, und es heißt natürlich sofort: Ah, jetzt ist er reich, jetzt fährt er Mercedes.

Slivovsky: Meine Oma glaubt noch, ich habe es erst geschafft, wenn ich im Musikantenstadel bin.

Ganz falsch liegt sie nicht, oder?

Slivovsky: Geh bitte. Die Stars haben vielleicht Geld. Aber die Musiker, die teils auch am Jazzkonservatorium waren, stehen dort mit unangesteckten Gitarren herum und bekommen dafür wahrscheinlich einen Hunderter am Tag.

Aber TV-Präsenz zahlt sich schon aus, oder?

Slivovsky: Wir waren einmal im ORF. Danach war eine alte Platte plötzlich wieder neu in den Charts. Der ORF hat einen Bildungsauftrag und könnte österreichischen Künstlern vieles erleichtern.

Dann würde man auch 500 Euro ORF-Gage besser verstehen.

Slivovsky: Und ich würde sogar GIS bezahlen. Mich hat unlängst wirklich jemand angerufen und gefragt: Herr Slivovsky, bezahlen Sie GIS? Und ich habe gesagt: Erst wenn ihr mich im Radio spielt. Und habe aufgelegt.

Was ist Luxus für euch?

Gaier: Wenn wir auf Tour waren und Geld reingekommen ist, fülle ich mir den Kühlschrank voll. Ein voller Kühlschrank ist super. Wenn man kochen kann und Leute einladen. Das ist Luxus.

Slivovsky: Ich habe mir einen Hafner für den uralten Kachelofen in meiner Wohnung geleistet. Jetzt kann ich mit dem heizen, und das taugt mir voll. Ich kann den Lebensstandard extrem gut runterschrauben. Dann bin ich auch nicht fertig, wenn ich gerade kein Geld habe.

Gaier: Elton John hat angeblich tausende Euro am Tag ausgegeben, damit seine Villa immer voller Blumen ist. Das könnte ich auch tun: mir jeden Tag die Wohnung mit Schnittblumen von Bellaflora vollmachen.

Slivovsky: Zum Essen kommst du dann aber zu mir.

ZUR PERSON

Max Gaier und Bobby Slivovsky (im Bild links) sind zwei Fünftel der Combo „5/8erl in Ehr'n“. Gemeinsam mit der früheren Ostbahn-Kurti-Gitarristin Miki Liebermann, Clemens Wenger am Akkordeon und Hanibal Scheutz am Kontrabass spielen die jungen Wiener eine Mischung aus Wienerlied und Soul. 2012 und 2013 gewannen sie den Amadeus Award in der Kategorie Jazz/World/Blues.

Diskografie: „Gut genug für die City“ (2013), „Bitteschön!“ (2010), „Es muss was wunderbares sein“ (2008, vergriffen)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2013)

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