Warum Europa Deutschland braucht

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Die USA attackieren Deutschland scharf: Das Land exportiere zu viel und konsumiere zu wenig. Ohne Deutschland ginge es der Eurozone besser. Klingt gut, stimmt aber nicht. Ein Blick hinter Washingtons krude Logik.

Wien. Die deutsch-amerikanische Freundschaft taumelt derzeit von einer Belastungsprobe zur nächsten. Scharf wie selten zuvor kritisiert Washington Berlin nun für seine Wirtschaftspolitik. Der gewaltige Handelsüberschuss des Exportweltmeisters ziehe die Krise im Euroraum künstlich in die Länge und gefährde die Weltwirtschaft, schreibt das US-Finanzministerium in seinem aktuellen Halbjahresbericht an den Kongress. Inhaltlich ist die Kritik aus den USA, die mit ihrem Haushaltsstreit eben erst selbst die Weltwirtschaft in Geiselhaft genommen haben, altbekannt: Die Deutschen, so die Argumentation, hätten sich durch „Lohndumping“ einen unfairen Wettbewerbsvorteil auf Kosten der anderen Euroländer verschafft. Das Land müsse durch höhere Löhne den Inlandskonsum ankurbeln, um auch Griechenland und Co. wieder eine Chance zu geben.

Welt hört nicht in Europa auf

Doch auch, wenn die Anschuldigungen nun aggressiver vorgetragen werden, wahrer werden sie dadurch nicht. So stimmt es zwar, dass Deutschland sehr viel exportiert und die Löhne einige Jahre lang nicht rasant gestiegen sind. Doch Grund für die deutsche Exportstärke sind nicht die niedrigen Preise der deutschen Waren (also die angeblich zu niedrigen Löhne der deutschen Arbeiter), sondern die hohe Qualität der Produkte „made in Germany“.

Natürlich ist der Überschuss des einen Landes das Defizit des anderen. Und in den vergangenen beiden Jahren erzielte Deutschland den höchsten Leistungsbilanzüberschuss weltweit. Dennoch: Wenn sich Berlin den Rat des „Partners“ aus Washington zu Herzen nehmen würde, wäre weder Griechenland noch Europa geholfen. Denn die Welt hört nun einmal nicht an den Grenzen der Eurozone auf. Und der Kontinent wird nicht konkurrenzfähiger, wenn er sein einziges Zugpferd künstlich erlahmen lässt. Auch die Leistungsbilanzdefizite der Eurokrisenländer würde ein deutscher „Exportverzicht“ kaum verschwinden lassen. Denn Deutschland steigerte seinen Export vor allem in Richtung Asien. In der Eurozone hat sich der deutsche Leistungsbilanzüberschuss seit der Finanzkrise hingegen von fast fünf Prozent auf zwei Prozent mehr als halbiert.

„Athen hat ein Problem, nicht Merkel“

Deutlich höhere Löhne in Deutschland hätten ebenfalls nur einen geringen oder gar keinen Effekt auf die Entwicklung der Eurokrisenländer. Denn wer will die Deutschen zwingen, ihr zusätzliches Einkommen in griechisches Olivenöl zu investieren? Heute importiert das Land gerade einmal 15 Prozent der Waren, die die deutschen Konsumenten kaufen. „Griechenland hat ein Problem und nicht Angela Merkel“, sagte Wifo-Chef Karl Aiginger vor einiger Zeit im Interview mit der „Presse“. „Und Griechenland muss sein Problem lösen. Die Regierung muss sich eine Vision 2030 überlegen, welche Wirtschaftszweige bis dahin wettbewerbsfähig sein sollen.“

Voraussetzung dafür ist ein – sicherlich schmerzhafter – Weg der Anpassung, den Österreich etwa in den 1970er-Jahren mit der Bindung des Schilling an die deutsche D-Mark gegangen ist. Von den Produktivitätssteigerungen, die durch die Koppelung an eine harte Währung notwendig wurden, profitiert das Land noch heute. Im ersten Halbjahr konnte Österreich seinen Leistungsbilanzüberschuss verdoppeln.

Auch aus der jüngeren Vergangenheit gibt es Erfolge dieser Strategie zu vermelden: So hat etwa Spanien die Lohnkosten deutlich gesenkt und weniger importiert. Erstmals seit Langem weist das Land wieder ein Plus in der Leistungsbilanz auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2013)

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