Möbel in der Endlosschleife

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Was man behält, ist gut: Die Grazer Tapezier- und Polstermeisterin Martina Sperl präpariert Möbelstücke für ein zweites, noch schöneres Leben.

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Auch auf dem Weg in die Ewigkeit müssen manche Dinge mal Pause machen: Schließlich wetzen Zeit und Jeans an den Stoffen, lastet das Alter auf der Polsterung, die sich brav bis in die Gegenwart tausendenden Kilos, zwar nicht auf einmal, entgegengestemmt hat. „Manchmal bin ich selbst erstaunt, wie lange sogar die alten Stoffe halten“, erzählt Martina Sperl. Irgendwann reißen sie dann doch. Und irgendwann bleibt vom einstigen Sitzkomfort nur noch das Gefühl, auf alten Stahlfedern zu sitzen.

Statt der Endstation Sperrmüll legen inzwischen viele Möbel lieber eine Lebenszyklus-Zäsur ein, gemeinsam mit einem ästhetischen und funktionalen Neuanfang, etwa auch im Atelier von Martina Sperl. „Die Leute geben wieder mehr Geld aus für Dinge, die länger leben.“ Oder gern auch eine halbe Ewigkeit. Am Grazer Lendplatz verheißt das zumindest das mathematische Symbol für Unendlichkeit, das sich Sperl als Firmenlogo ausgesucht hat. In ihrem eigenen Unternehmen polstert sie die Stühle, Sessel, Fauteuils, Sofas auf für die Zukunft.

In der Endlosschleife der Polstermöbel agiert Sperl antizyklisch: In einer Ära, in der viele Betriebe zusperren, sperrte sie auf. Ihre eigene Polsterei, dort, wo man Graz inzwischen besonders viel Designanspruch und Kreativität zutraut. Auf 140 Quadratmetern stapeln sich am Lendplatz Stühle und Fauteuils. Jene, die sie selbst auf Flohmärkten gefunden hat, weil andere sie nicht mehr wollten. Und jene, von denen sich Menschen nur kurz trennen, damit Sperl sie für die Zukunft präparieren darf. Ihr selbst haben es vor allem Stücke angetan, die zwischen den 1940er- und 1960er-Jahren entstanden. Für ihre eigenen gestalterischen Re-Interpretationen legt sie das Gestell der Möbel völlig frei. Alles kommt runter, der Stoff, die Polsterung. Hunderte Nägel und Klammern zieht sie aus dem Holz. Wie auch so manche Überraschunge aus dem Innenleben der Stücke. Fahrradschläuche etwa, die als Gurte herhalten mussten. Die alten Objekte erzählen Geschichten, die im Inneren lesbar werden: Wenn Sperl wieder einmal eine jahrzehntealte Signatur entdeckt, die der ursprüngliche Polsterer im Inneren auf Karton gekritzelt hat. Ganz andere Aufzeichnungen hat sie auch schon gefunden in der Polsterung: Da ist wohl jemand jahrelang auf einem etwas dünkleren Geheimnis gesessen, die Notizzettel, auf denen die Schwarzgeldabflüsse in Millionen Schillingbeträgen verzeichnet waren, lassen es vermuten.

Aufpolstern und aufpolieren. Ist die verschlissene Vergangenheit erst einmal abgelegt, polstert Sperl die Stücke neu auf, nach ihren Vorstellungen und Schnittmustern, füllt sie mit neuem Material. Die traditionellen Füllstoffe wie Rosshaar sind gar nicht mehr so leicht zu bekommen. „Vor allem in kleinen Mengen“, sagt Sperl. Den Schaumstoff in verschiedenen Härtegraden bezieht sie von zwei österreichischen Firmen. Die Stoffe, mit denen sie die Möbel tapeziert, sucht sie möglichst in kleinen, heimischen Webereien. Doch auch in Finnland wurde sie fündig, bei einer Frau, die selbst Stoffe produziert.

29 Jahre war Sperl alt, als sie beschloss, das Handwerk des Tapezierens und Polsterns zu lernen. Gar nicht so einfach, sich das Wissen dafür zu holen, bemerkte sie. In Graz bildet gerade mal ein Betrieb noch aus. Sie selbst ging an die Raumdesignerakademie in Salzburg, machte ihre Meisterprüfung dort. Ein pensionierter Tapezierer hat ihr mit seiner Erfahrung geholfen. Auch sich in einer Handwerkswelt zu behaupten, in der nicht nur Männer dominieren, sondern auch manch antiquierte Einstellung. Da tritt Sperl an aufzupolstern, aber auch ein wenig aufzupolieren: das Image eines Handwerks nämlich. 

Tipp

Mehr Schauobjekte von Martina Sperl finden sich in ihrem Atelier am Lendplatz 40 in Graz und auf ihrer Website: www.martinasperl.at

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