Chemie

Erdöl-Alternative: Schwarzes Gold aus der Papierfabrik

Ein Nebenprodukt aus der Papierproduktion liefert die Basis für nachhaltige Kunststoffe – bisher wurde es einfach verheizt.
Ein Nebenprodukt aus der Papierproduktion liefert die Basis für nachhaltige Kunststoffe – bisher wurde es einfach verheizt.Kevin Fleming/Corbis/Getty Images
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Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, ihre Herstellung verschlingt große Mengen fossiler Rohstoffe. Wiener Forschende haben nun ein Verfahren entwickelt, das einen Teil davon durch nachwachsende Holzabfälle ersetzt.

Wir sind umgeben von Erdölprodukten. Von den Schuhsohlen, auf denen wir laufen, über die Jacken, die uns vor Regen schützen, bis hin zu den Lichtschaltern, Stromkabeln, Computerbildschirmen oder Zahnbürsten, die wir jeden Tag benutzen – die Liste ließe sich selbst für die Umweltbewusstesten unter uns nahezu beliebig verlängern. Ohne Kunststoffe ist eine moderne Gesellschaft kaum vorstellbar, und ohne Erdöl sind Kunststoffe derzeit kaum herzustellen.

Um diese Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu reduzieren, arbeitet ein ganzer Wissenschaftszweig an der Erschließung alternativer Quellen. So auch am Institut für Materialchemie der Universität Wien: Geleitet von dem Polymerchemiker Alexander Bismarck sucht ein Team von Forschenden nach neuen Wegen, um Kunststoffe nachhaltig und umweltfreundlich zu produzieren.

Einen solchen Weg haben sie nun in dem Fachjournal Chemical Engineering Journal aufgezeigt: Ein Nebenprodukt aus der Papierindustrie, die sogenannte Schwarzlauge, kann als Basis für Kunstharze verwendet werden. Denn diese Schwarzlauge enthalte viel Lignin, einen Stoff mit besonderen Eigenschaften, erklärt Bismarck. „Lignin ist einer der Hauptbestandteile von Bäumen, neben Zellulose und Hemizellulose. Es bildet ein extrem festes Netzwerk um die Zellen und ist für die Verholzung von grünen Pflanzen verantwortlich.“

Werkstoff statt Brennmittel

Seine chemische Grundstruktur besteht aus einem Kohlenstoffring, in der Fachsprache Aromat genannt, an dem eine kurze Kohlenwasserstoffkette, ein Aliphat, hängt. An diese Grundbausteine sind noch eine Reihe weiterer chemischer Gruppen gebunden, außerdem sind sie miteinander zu einem großen Netzwerk verknüpft. Streng genommen ist daher das gesamte Lignin eines Baums ein einziges, riesiges Molekül, das mehrere Tonnen wiegt.

Die Schwarzlauge ist wertvoll

Für die Herstellung von Papier braucht man lediglich die Zellulose der Bäume, das Lignin wird chemisch abgetrennt und zerkleinert, die Schwarzlauge entsteht. Zwar wird sie aufgrund des hohen Kohlenstoffgehalts noch als Brennstoff verwendet, um die für die Papierproduktion nötige Hitze und elektrische Energie zu gewinnen. Doch für Bismarck hat die Schwarzlauge viel höheren Wert: „Diese aromatischen Verbindungen sind eigentlich viel zu schade, um sie zu verbrennen. Man kann damit viel Chemie machen, das Vanille-Aroma Vanillin wird zum Beispiel hauptsächlich aus Lignin gewonnen. Es lässt sich aber auch wunderbar vernetzen, dabei entstehen Polymere, die eine hohe Zugfestigkeit und Elastizität besitzen.“

Basis für Kunstharze: Ligninhaltige Schwarzlauge sieht nicht nur aus wie Erdöl, es kann auch so verwendet werden.
Basis für Kunstharze: Ligninhaltige Schwarzlauge sieht nicht nur aus wie Erdöl, es kann auch so verwendet werden.Wolfgang Däuble

Polymere, also lange Molekülketten, sind die Grundstruktur aller Kunststoffe. Dass solche Polymere aus Lignin hergestellt werden können, ist seit Längerem bekannt. Bisher waren dafür aber aufwendige Reinigungsprozesse nötig, gereinigtes Lignin verklumpt sofort zu einem Feststoff – die Schwarzlauge spielt für die chemische Industrie daher kaum eine Rolle als Rohstoff. Das könnte sich in Zukunft ändern, ist sich der Erstautor der vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Studie, Phillip Verdross, sicher: „Wir haben in unserer Arbeit gezeigt, dass es möglich ist, die Schwarzlauge direkt zu verwenden, ohne sie vorher reinigen zu müssen. Und wir erhalten dabei ein flüssiges Harz, das sich viel besser verarbeiten lässt als ein Feststoff.“

Windräder und Rennautos

Mit flüssigem Harz lassen sich etwa verschiedenste Verbundwerkstoffe herstellen, die besonders im Leichtbau gefragt sind. Gieße man das Harz über Kohlefasern, können damit sehr widerstandsfähige Bauteile produziert werden, so Bismarck. „Kohlefasern sind extrem steif, man braucht enorm viel Energie, um sie auch nur ein bisschen zu ,verstrecken‘. Man kann daraus im Verbund mit unserem Harz hochfeste und trotzdem sehr leichte Materialien entwickeln, die etwa im Automobilbau, im Rennsport oder für den Bau von Windrädern gebraucht werden.“

Ökobilanz noch ausbaufähig

Der entscheidende Schritt, um das Lignin in flüssiges Harz umzuwandeln, ist die Reaktion mit Epichlorhydrin, einer weiteren Kohlenwasserstoffverbindung, die sich in langen Ketten an das Lignin anheftet. Bisher wird dieses Epichlorhydrin, das einen beträchtlichen Anteil des Ligninharzes ausmacht, allerdings aus Erdöl gewonnen. Eine Schwachstelle in der Ökobilanz, räumt Bismarck ein. Es sei aber möglich, auch das Epichlorhydrin aus nachwachsenden Rohstoffen zu gewinnen, versichert der Chemiker, und somit aus dem Ligninharz einen hundertprozentig regenerativen Kunststoff zu machen.

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