Warum acht Felseninseln Asien in einen Krieg stürzen könnten

Mitten im Ostchinesischen Meer, ungefähr 170 Kilometer vor der Küste Taiwans, liegen acht unwirtliche Inseln.

Die Japaner nennen den Archipel, dessen Gesamtfläche sich auf fünf Quadratkilometer summiert, „Senkaku“, die Chinesen „Diaoyu“. Seit 1895 üben die Japaner die administrative Hoheit aus, unterbrochen nur durch 27 Jahre amerikanischer Verwaltung nach dem Zweiten Weltkrieg. Dennoch beansprucht auch China die Inseln und geht dabei kartografisch bis in die Ming-Dynastie zurück.

Kein Mensch wohnt auf den Geröllhaufen, von denen außerhalb Asiens nur wenige je gehört haben. Und dennoch könnte sich an den mickrigen Felsen ein Krieg entzünden, der die gesamte boomende Region in den Abgrund reißt. Das ist kein Scherz, sondern ziemlich ernst.

Dem Schreckensszenario sind die Beteiligten des Territorialkonflikts nun ein Stück näher gerückt. China gab bekannt, dass es über dem umstrittenen Gebiet eine– recht großzügig bemessene – „Luftverteidigungszone“ eingerichtet habe. Flugzeuge, die darin eindringen und sich gegenüber den chinesischen Behörden nicht gebührend identifizieren, müssten mit „defensiven Notmaßnahmen“ rechnen. Übersetzt aus dem Orwell-Speak der Volksrepublik heißt das: Ab jetzt nimmt sich Chinas Luftwaffe das Recht heraus, Militärflugzeuge, die unangemeldet über die Inselgruppe sausen, abzuschießen.

Japans Premier, Shinzo Abe, der selbst das Image eines Falken pflegt, reagierte „besorgt“ und sprach von einer „gefährlichen Angelegenheit“, die eine „unvorhergesehene Situation“ hervorrufen könne. Es war klar, was er meinte: Krieg. Zur Seite sprangen ihm die amerikanischen Verbündeten. Außenminister Kerry und Verteidigungsminister Hagel warnten China vor jedem Schritt, der den Status quo im Ostchinesischen Meer infrage stelle. Und „diese Einmischung“ brachte wiederum Chinas KP-Führung auf die Palme.

Noch handelt es sich lediglich um einen Krieg der Worte. Und, rational betrachtet, kann niemand in der Gegend ein Interesse an einer militärischen Auseinandersetzung um ein paar Felsen im Meer haben, auch wenn rundherum noch so viele Gasvorkommen vermutet werden. Zu groß wäre der ökonomische Schaden für alle, die als Handelspartner eng miteinander verflochten sind. Doch mit jeder Provokation steigt das Risiko, dass Sicherungen durchbrennen.

Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass prosperierende Gesellschaften in einen unsinnigen Krieg taumeln. Vor 100 Jahren war es Deutschland, das mit seinem wirtschaftlichen Aufstieg und seinem Großmachtstreben Spannungen auslöste. Heute sucht das aufstrebende China seinen Platz an der Sonne. Das ist bisher erstaunlich reibungslos verlaufen, muss aber nicht so bleiben. Die Ära, in der die Volksrepublik mit sich selbst beschäftigt war, neigt sich dem Ende zu. Die Chinesen müssen fast zwangsläufig ihre Macht nach außen projizieren, schon allein, um ihre Energieversorgung zu gewährleisten, die für die Aufrechterhaltung ihres Wirtschaftswachstums nötig ist. China hat in den vergangenen Jahren rasant aufgerüstet. Es will für den Kampf um die Vormachtsstellung in Asien gewappnet sein, die die USA kaum kampflos preisgeben werden. Das Management dieser machttektonischen Verschiebung in Asien stellt die größte sicherheitspolitische Herausforderung des Jahrhunderts dar.


Der Inselstreit zwischen Japan und China ist ein steinernes Symbol dieses Ringens. Wenn die Regierung in Peking Härte in Diaoyu/Senkaku signalisiert, richtet sie sich dabei, künftige Konflikte vorwegnehmend, auch an die USA. Zusätzlich spielt jedoch ein innenpolitischer Faktor eine Rolle. Nationalismus ist eine der wichtigsten Machtressourcen der chinesischen KP. Deshalb versucht die Führung, dem Volk hin und wieder ein antijapanisches Schauspiel zu bieten. Das Problem dabei: Das nationalistische Feuer kann leicht außer Kontrolle geraten, wenn es in den überlappenden „Luftverteidigungszonen“ über Diaoyu/ Senkaku kracht. Und am Ende kommt dann ein Krieg, den keiner wollte. Wegen acht unbewohnter Inseln.

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2013)

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