Regierungsgespräche: Muskelspiele vor dem Finale

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Werner Faymann und die SPÖ wollen die Einsparungen vorerst nur für 2014 festlegen. Michael Spindelegger und der ÖVP geht das nicht weit genug. An einer Einigung vor Weihnachten zweifeln aber beide Seiten nicht.

Wien. Die Regierungsgespräche zwischen SPÖ und ÖVP erinnern derzeit an ein Pingpongspiel. Heikle Themen werden seit Tagen hin- und hergespielt. Die Liste (siehe dazu eigenen Bericht) reicht von den Pensionen bis hin zum Vorschlag mancher Landeshauptleute, die Lehrer in die Zuständigkeit der Bundesländer zu überstellen.

Diese Streitpunkte werden nun zur Chefsache. Am Wochenende bemühen sich die Parteichefs persönlich um eine Lösung. Werner Faymann ließ seine grundsätzliche Verhandlungslinie am Mittwoch von den SPÖ-Gremien absegnen: Es dürfe keine Einsparungen geben, die unmittelbar spürbar sind.

Die ÖVP besteht hingegen weiterhin auf Strukturreformen. Allerdings wollte der schwarze Finanzchefverhandler, Oberösterreichs Landeshauptmann, Josef Pühringer, Dienstagabend im ORF-„Report“ partout nicht von einem Sparpaket, sondern nur von einem „Reformpaket“ sprechen. Ein solches, sagte Pühringer, müsste auch Einsparungen in der Verwaltung enthalten.

Faymann drückt aufs Tempo

Nach außen hin werden die Gräben zwischen SPÖ und ÖVP als täglich tiefer werdend dargestellt. Im Hintergrund sind aber beide Seiten zuversichtlich, dass die neue Regierung noch vor Weihnachten angelobt wird. „Allen war klar, dass die strittigen Themen erst am Schluss zur Sprache kommen – und dass dabei jeder versucht, seine Position zu stärken“, wurde der „Presse“ in Koalitionskreisen erklärt. Anders gesagt: Muskelspiele gehören dazu.

Faymann unterrichtete das SPÖ-Präsidium am Mittwochnachmittag über den Stand der Dinge. Um in den finalen Verhandlungen tiefgreifende Reformen verhindern zu können, listeten die Sozialdemokraten alle Sparmaßnahmen der vergangenen Legislaturperiode auf: vom Budget 2011 über das 27-Milliarden-Paket im Februar 2012 bis hin zum aktuellen Budgetpfad.

Angesichts des wachsenden Wählerunmuts über die neuerlichen Zwistigkeiten zwischen SPÖ und ÖVP will Faymann das Tempo in den Regierungsgesprächen erhöhen. Der Kanzlerplan sieht eine Einigung bis Mitte Dezember vor. Am Rande des SPÖ-Präsidiums schlug Faymann daher bewusst sanfte Töne an: Man dürfe „die Seelen beider Parteien“ nicht überfordern.

Um sich den Verhandlungsspielraum nicht völlig einzuschränken, verzichteten die Sozialdemokraten in den Sitzungen auf Beschlüsse aller Art. Inoffiziell ist man sich aber einig, dass die Einsparungen vorerst nur für das Jahr 2014 festgelegt werden sollen. Alles Weitere will man von den Konjunkturprognosen abhängig machen.

Leitl stellt drei Bedingungen

Das ist jedoch der ÖVP zu wenig. Spindelegger versuchte in den vergangenen Tagen, den Druck auf die SPÖ zu erhöhen – persönlich („Die Chancen für eine Einigung stehen fifty-fifty“) und über Parteikollegen.

So kritisierte etwa Pühringer die mangelnde Reformbereitschaft der SPÖ im Bereich der Pensionen, die mit knapp neun Milliarden Euro wesentlich zur Budgetlücke beitragen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer solle ein Modell vorlegen und damit zeigen, wie er den Pensionspfad einzuhalten gedenke, forderte der Landeshauptmann am Mittwoch via ORF-Radio. Hundstorfer kommentierte das öffentlich nicht. Intern soll er aber die Gegenfrage gestellt haben: Warum die ÖVP denn kein eigenes Modell vorlege?

Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl, ÖVP-Chefverhandler in der Gruppe „Wachstum“, nannte drei Bedingungen für Rot-Schwarz: keine neuen Schulden, keine neuen Steuern und Bürokratieabbau.
Faymann ging darauf nicht näher ein. Bevor er heute, Donnerstag, zum EU-Gipfel nach Vilnius reist, war es dem SPÖ-Chef wichtig, intern alle bei Laune zu halten. Dass die Gewerkschafter weiterhin eine Vermögensteuer fordern, nahm er zur Kenntnis – und versprach, weitere Einschnitte bei den Pensionen zu verhindern. Die Landesparteien (vor allem die oberösterreichische) stellte Faymann zufrieden, indem er ihnen zusicherte, dass sie in erweiterten Vorstandssitzungen über den Koalitionspakt informiert werden.

Unglücklich war am Mittwoch nur einer: Vorarlbergs SPÖ-Chef, Michael Ritsch. Er hatte sich schon vor Wochen gegen Regierungsverhandlungen mit der ÖVP ausgesprochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2013)

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