Koalition plant „Gesamtschule light“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach der Volksschule soll es eine zweijährige „Orientierungsphase“ geben. Erwin Pröll unterstützt diesen Kompromiss.

Wien. Gesamtschule oder Gymnasium? In den Regierungsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP zeichnet sich beim Thema Bildung ein Kompromiss ab, mit dem beide Parteien ihr Gesicht wahren könnten. Die zuständige Gruppe, die von Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und dem Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer geleitet wird, plant einen Schulversuch, den man als „Gesamtschule light“ umschreiben könnte.

Das Konzept sieht eine zweijährige „Orientierungsphase“ nach der Volksschule vor: Der Schüler soll sich nicht schon mit zehn Jahren zwischen den einzelnen Schultypen entscheiden müssen, sondern zwei weitere Schuljahre Zeit bekommen. Ein entsprechendes Gerücht, das der Blogger Andreas Unterberger am Donnerstag veröffentlicht hat, wurde der „Presse“ in Koalitionskreisen bestätigt.
Die Details zu diesem Schulversuch stehen allerdings noch aus. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste, eine Verlängerung der Volksschule auf sechs Jahre, ist unwahrscheinlich – allein schon deshalb, weil in den meisten Volksschulen zu wenig Platz wäre.

Einfacher umzusetzen wäre eine andere Variante: Dabei würden die ersten beiden Jahre in Gymnasien und Neuen Mittelschulen als Orientierungsphase betitelt, der Wechsel zwischen den Schultypen würde erleichtert – je nach Begabung des Schülers. Damit soll die Durchlässigkeit zwischen Gymnasium und NMS in derselben Stadt bzw. in derselben Region verbessert werden, ohne dafür die jeweiligen Schultypen auflösen zu müssen. Die Orientierungsphase ist an das Konzept der Neuen Mittelschule angelehnt. Sprich: In den Hauptfächern werden zwei Lehrer eingesetzt.

Widerstand innerhalb der ÖVP

Ganz neu sind diese Überlegungen nicht. Der niederösterreichische Landeshauptmann, Erwin Pröll (ÖVP), sprach sich bereits im Jahr 2007 dafür aus, den Kindern mehr Zeit für ihre Schulentscheidung zu geben – eben bis zum Alter von zwölf Jahren. Gestern bekräftigte er diese Meinung. „Eine Trennung mit zehn Jahren ist nicht sinnvoll“, sagte Pröll zur „Presse“. Mit welchem Alter die Schüler in unterschiedliche Schultypen geschickt werden sollten, ließ der Landeshauptmann offen. Er betonte aber, wie wichtig „eine höhere Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schultypen“ wäre.

In der ÖVP ist dieser Vorschlag jedoch heftig umstritten. Während Haslauer und Pröll auf die Unterstützung ihrer Amtskollegen Günther Platter (Tirol) und Markus Wallner (Vorarlberg) hoffen dürfen, formiert sich im Raum Wien Widerstand. Erst vor Kurzem sollen hohe Funktionäre in einer internen Sitzung ihren Unmut über diesen Vorschlag kundgetan haben. „Das ist keine Lösung, sondern nur ein weiterer Schulversuch“, sagte gestern ein ÖVP-Mitglied zur „Presse“.

Tatsächlich wird es zum Überbegriff Gesamtschule demnächst einige Schulversuche geben – und zwar in ÖVP-geführten Ländern. Platter startet nächsten Herbst eine Modellregion im Zillertal. Haslauer will in Salzburg nachziehen. Und Vorarlberg befragt rund 20.000 Lehrer, Eltern und Schüler zum Thema Gesamtschule.

Finanzierung vorerst offen

Der Schulversuch „Orientierungsphase“ wäre wohl mit erheblichen Kosten verbunden. Das Problem dabei: Im Bundesbudget klafft bis 2018 eine Lücke von 24,2 Milliarden Euro. Deshalb muss das Projekt erst auf seine Leistbarkeit überprüft werden. Geben die Finanzverhandler von SPÖ und ÖVP grünes Licht, wandert das Papier auf den Tisch von Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger. Denn die Letztentscheidung liegt bei den Parteichefs.

("Die Presse", Printausgabe 29.11.2013)

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