Es gibt eine Sprache, die die ukrainische Elite sofort verstehen würde.
Für einen unbedarften Zuhörer wirkte er bei seinem kurzen Auftritt vor der Wirtschaftskammer Österreich vor ein paar Tagen wie ein netter Onkel – der ukrainische Präsident, Viktor Janukowitsch. Es gebe im Moment nur noch ein paar kleine Unwägbarkeiten auf dem Weg seines Landes in Richtung EU, erklärte er.
Wenn da nicht unsere Erfahrungen als österreichischer Investor in der Ukraine mit Zusagen seitens der ukrainischen Behörden wären. Trotz vieler öffentlicher Beteuerungen herrschen nach wie vor Willkür und Korruption, wohin das Auge blickt: etwa bei den Steuer-, Zoll- und Baubehörden, bei der Refundierung der Mehrwertsteuer, bei der „Privatisierung“ unzähliger Staatsunternehmen zugunsten der Entourage des Präsidenten.
Völlig willkürlich werden Zollbemessungsgrundlagen verdoppelt, die Steuerschuld wird im Rahmen einer Steuerprüfung losgelöst von den tatsächlichen Prüfungsergebnissen „definiert“ – man müsse doch verstehen, das Budget, die Erfordernisse der prüfenden Beamten und ihrer Vorgesetzten...
Bundespräsident Heinz Fischer konnte man in der Wirtschaftskammer sein Unbehagen anmerken, nachdem ihn Janukowitsch erst eine halbe Stunde zuvor von seiner glorreichen Alternative zum Assoziierungsabkommen mit der EU informiert hatte: eine trilaterale Kommission Russland-Ukraine-EU zu Handelsfragen. Dieses Ansinnen ist natürlich der blanke Hohn, hatte die EU doch in jahrelangen Vorbereitungen einen besonderen roten Teppich für die Ukrainer ausgebreitet.
Unersättliche Gier der Elite
Mit dieser Entwicklung ist für uns der Tag gekommen, an dem wir keine andere Wahl mehr haben, als unseren ukrainischen Partnern Glauben zu schenken. Sie haben stets behauptet, dass die heutige ukrainische Elite – allen voran der Präsident und seine „Familie“ sowie die verbündeten Oligarchengruppen – nur ein Ziel hätten: solange es geht so viele Vermögenswerte wie nur möglich in den eigenen Besitz zu bringen. Und mit potenziellen Gegnern entweder einen Waffenstillstand zu vereinbaren oder diese zu vernichten.
Von Wladimir Putin lernen
Mit Julia Timoschenko wird auf die zweite Weise verfahren. Jetzt hat der Präsident offenbar alle Interessen des Landes der Angst vor einer Timoschenko auf freiem Fuß und dem wirtschaftlichen Druck Moskaus untergeordnet.
Die Führer der EU können und müssen hier vom Machtpolitiker Wladimir Putin und unseren ukrainischen Partnern lernen: Die einzige Sprache, die Janukowitsch und seine Mitspieler verstehen, ist jene der Härte; die Sprache des versteckten und offenen Drucks.
Und hier steht der EU – gerade auch Österreichern – eine ganzes Arsenal zur Verfügung. Schon der Hinweis, dass sich die Genehmigung von Visumanträgen verzögern könnte, die gelangweilten Gattinnen der Machtelite somit nicht mehr in mondänen europäischen Hauptstädten ihre vorweihnachtlichen Einkäufe tätigen können, würde Wunder vollbringen. Auch ist es ein offenes Geheimnis, dass auffallend viele Gelder ukrainischer Anleger auf österreichischen Bankkonten liegen.
Diese Sprache würden Janukowitsch und Co. sofort verstehen, und es käme höchstwahrscheinlich rasch zu einem Umdenken. Wenn wir Europäer endlich unsere Augen für die realen Gegebenheiten in der heutigen Ukraine öffneten, könnte die junge Generation in der Ukraine wieder Hoffnung schöpfen und wüsste, warum es sogar lohnenswert sein kann, sich der Prügelpolizei des Regimes am Majdan-Platz auszusetzen...
Mag. Alexander Tremmel ist geschäftsführender Gesellschafter der SKB-Gruppe, einer mittelständischen Firmengruppe, die Energie- und Signalkabel in fünf mittel- und osteuropäischen Ländern erzeugt und vertreibt.
E-Mails an:debatte@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2013)