Modell Schweden: Alles verbieten oder alles erlauben?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In dem skandinavischen Land müssen Freier Strafe zahlen. Dies wollen sich Parteien in den Niederlanden, wo Prostitution völlig liberalisiert ist, zum Vorbild nehmen. In Italien ist die Lage komplex.

Wien. Benito Mussolini war ein Frauenheld. Italiens Diktator nahm es mit der Treue keineswegs genau, es gibt Berichte über regelmäßigen Frauenbesuch in seinem Palast (diesfalls offenbar ein Vorbild für Silvio Berlusconi). Offiziell gab sich das faschistische Italien etwas moralischer. Prostitution, seit einem Erlass von Camillo Cavour 1859 legal, wurde stärkeren Reglementierungen unterworfen, Besitzer der Bordelle, der „case di tolleranza“, mussten eine mehrere Meter hohe „Anstandsmauer“ errichten.

1958 waren die „case chiuse“ dann tatsächlich chiuse, also geschlossen: Die Bordelle mussten sperren, Zuhälterei wurde gesetzlich verboten. Straßenprostitution blieb allerdings erlaubt. Ein Versuch der Regierung Berlusconi, auch sie zu verbieten, scheiterte vor einigen Jahren. Die Prostitution in Privatwohnungen per Gesetz zu untersagen, versuchte der Ex-Premier nicht.

In Schweden hingegen ist die gesetzliche Lage recht einfach: Prostitution ist seit 1999 samt und sonders verboten. Wer dennoch die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nimmt – oder sich auch nur anschickt, das zu tun – muss Strafe zahlen, und zwar mindestens 250 Euro. 343 Verurteilungen gab es im vergangenen Jahr. Die Prostituierten selbst werden freilich nicht bestraft.

Die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ zitiert aus einer Studie, wonach sich dadurch bis 2010 die Straßenprostitution halbiert habe und es auch keine Anzeichen gebe, dass sich die Aktivitäten in private Wohnungen oder ins Internet verlagert hätten. Ersteres lässt sich freilich schwer überprüfen, und der Markt für sexuelle Dienste im Internet floriert allem Anschein nach.

Anstieg des Frauenhandels

Kritiker des Verbotsgesetzes meinen denn auch, dessen einziger Effekt sei, dass Prostitution nun in der Öffentlichkeit weniger sichtbar sei. Immerhin, so zitiert das Blatt eine Frauenrechtlerin, könnten Prostituierte ihre Freier nun verklagen, wenn sie sich nicht respektvoll verhalten würden. Somit seien ihre Rechte gestärkt worden.

Den größten denkbaren Kontrast zu Schweden bieten die Niederlande: Die Gesetzgebung dort ist seit dem Jahr 2000 so liberal, dass sie das Land – und besonders Amsterdam mit seinem berühmten Rotlichtviertel – zum begehrten Reiseziel für Sextouristen machte. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Ländern ist auch das Betreiben von Bordellen in den Niederlanden völlig legal. Dies führte zu Auswüchsen wie den berüchtigten „Schaufenstern“, in denen sich Prostituierte – viele von ihnen fallen in die Kategorie Scheinselbstständige – straßenseitig potenziellen Kunden präsentieren.

Doch das soll nicht so bleiben, fordern Abgeordnete mehrerer Parteien, darunter Sozial- und Christdemokraten. Denn einer der unerwünschten Nebeneffekte der Liberalisierung war der schwunghafte Anstieg des Frauenhandels, also letztlich eine Zunahme der Kriminalität, was den ursprünglichen Absichten ziemlich genau zuwiderlief.

Diejenigen, die strengere Gesetze bis hin zu einem Verbot fordern, blicken nun interessiert nach Schweden. Ob sich ein totaler Bann in den Niederlanden allerdings durchsetzen lässt, ist fraglich. 2012 gelang es nicht einmal, eine Registrierungspflicht für Prostituierte durchs Parlament zu bringen. (hd)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2013)

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